Grundlagen und Anfänge der griech. Kultur.
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Die Griechen.
§ 9. Grundlagen und Anfänge der griechischen Kultur.
1. Das Land. (Buntkarte 2.) Das hochbegabte arische Volk der
Griechen erfreute sich einer Heimat, die der Ausbildung seiner Anlagen
so förderlich wie möglich war. Das kleine Laud (ohne Epirus ungefähr
so groß wie Bayern) hat eine so reiche Küstengliederung wie kein anderes
Land der Erde. Die Nähe des Meeres regte zur Schiffahrt an, und
zum Bau der Schiffe lieferten die Wälder das Material. Zur Ausfuhr
eigneten sich zunächst Wein und Südfrüchte, die vorzüglich gedeihen, zur
Einfuhr Getreide, das der Boden nicht in genügender Menge hervorbrachte.
Die im ganzen nur mäßige Fruchtbarkeit, die Mannigfaltigkeit der Boden-
formen und die starken klimatischen Unterschiede zwischen höheren und
tieferen Lagen spornten zu vielseitiger Tätigkeit an, Handel und Verkehr
führten wie in Phönizien zu freien Verfassungsformen.
Vielfachen Wechsel an landschaftlichen Reizen bieten dem Auge die
bald sanft ansteigenden, bald schrofferen Gebirge, deren Umrisse in der
klaren Luft scharf hervortreten, die üppig grünenden Flußtäler und die
tiefblauen Wogen des Meeres. Die Schönheit der Natur weckte den
Kunstsinn des Volkes, und der bildende Künstler erhielt aus den Brüchen
des Pentelikon und der Insel Paros den besten weißen Marmor.
Die Ostseite ist durch die vielen Meereseinschnitte und die Inseln,
die gleichsam eine Brücke nach Kleinasien bilden, vor der Westseite bevor-
zngt. An der Ostseite lagen demgemäß die bedeutenderen Städte und
Häfen. Hier war auch die Hauptstraße, die von Norden nach Süden zog.
Sie führte vom Tal des Peneus (dem Tal Tempe) nach Larissa, wo sie
mit der von Dodona kommenden zusammentraf, über Pharsälus und durch
die Thermopylen nach Mittelgriechenland, wo sie sich verzweigte, dann über
den Isthmus nach Korinth, Argos, Mantinea, Sparta und dem Lakonischen
Meerbusen. An dieser Straße lagen fast alle Schlachtfelder, auf denen
die Würfel über die Geschicke der griechischen Staaten fielen. Für den
Verkehr zwischen dem Osten und dem Westen war die Wasserstraße des
Korinthischen und des Saronischen Meerbusens, obgleich sie durch den
Isthmus unterbrochen wird, von der größten Bedeutung.
2. Volksstämme. Als älteste Bewohner werden die Pelasger genannt.
Von ihnen lösten sich wahrscheinlich die Hellenen (römisch Graeci) als
tüchtigster Stamm los, und ihr Name wnrde der herrschende für das ganze
Volk. In der homerischen Zeit waren die Achäer der mächtigste Stamm,
und auch ihr Name diente als Gesamtbezeichnung. Das Volk zerfiel in der
geschichtlichen Zeit in drei Stämme, die sich nach ihren Mundarten unter-