Full text: Deutsche Geschichte von 1648 bis zur Gegenwart, mit besonderer Berücksichtigung Brandenburg-Preußens (Teil 2)

§ 27. Die Vorgeschichte der französischen Revolution. 71 
diese unter G. Washingtons Führung gegen die englischen zum Teil 
mit erkauften deutschen Soldaten gebildeten Heere (1777 Kapitulation von 
Saratoga, 1782 Kapitulation von Jorktown). Da sie nun auch von 
Frankreich zuerst heimlich (Lafayette), dann offen durch die Flotte in¬ 
folge der Bemühungen ihres in Paris rasch populär gewordenen Gesandten 
B. Franklin unterstützt wurden, mußte England ihnen die Anerkennung 
ihrer Unabhängigkeit im Frieden zu Versailles 1783 gewähren. 
Die mit der Unabhängigkeitserklärung verbundene Verkündigung 
der allgemeinen Menschenrechte regte die Gebildeten in Frankreich 
mächtig auf. 
2. Die UnHaltbarkeit der französischen Staatsverhältnisse. 
a) Uerderbte Zustande. In Frankreich herrschte das Königtum unbeschränkt. 
Der Adel, aller ständischen Rechte beraubt, war fast ganz zum Hofadel 
geworden. Alle Beamten- und Richterstellen waren käuflich, ebenso die 
Offizierspatente für Adlige. Streng gesondert standen sich Adel und Klerus 
auf der einen, Bürger und Bauern auf der andern Seite gegenüber. Jene 
besaßen 2/3 alles Grundes und Bodens, waren aber von Steuern fast ganz 
befreit. Diese, auch sonst durch Abgaben nndHronen schwer gedrückt, hatten 
fäTT&te ganze Steuerlast zu tragen. Dazu dienten die Steuern zur 
Bereicherung der Mitglieder der großen Gesellschaften, welche sie gegen 
hohes Entgelt vom Staate gepachtet hatten. Handel und Industrie waren 
zum Schaden der Ärmeren und zum Vorteilter Wohlhabenden durch 
Schutzzölle künstlich hoch entwickelt (Merkantilismus), Acker- und 
Weinbau durch hohe Binnenzölle tief gedrückt. Das Interesse an 
kommunaler Selbstverwaltung war durch den Ämterverkauf ab- 
getötet. Die Offiziere bereicherten sich an Sold und Verpflegung 
der Soldaten. Die Richter waren bestechlich. Die persönliche Freiheit 
und Ehre war der käuflichen Kabinettsjustiz (lettres de cachet) 
schutzlos preisgegeben. — Die Kirche entwickelte zwar gegenüber dem 
Elend der Armen eine relcsse, wenn auch unzulängliche Liebestätigkeit; 
aber die Geistlichkeit war verweltlicht und entsittlicht und verfolgte 
jede freiere Geistesrichtung aufs grausamste. — Der königliche Hof hatte 
unter Ludwig XIV. zwar über ganz Europa geglänzt; aber seine 
Kriege, Bauten und Feste hatten doch viel Geld gekostet, und seine Über¬ 
hebung hatte ihm weite Kreise des Volkes entfremdet. (L'etat c'est moi.) 
Der Hof Ludwigs XV. entwürdigte bei aller Feinheit der äußeren Form 
durch fein Lasterleben das Königtum, und die politischen Mißerfolge mehrten 
nicht nur die Schuldenlast, sondern raubten der Regierung auch die letzte 
Achtung. Ludwig XVI. war zwar persönlich wohlwollend und sitten¬ 
rein, aber zu schwach, eine Besserung herbeizuführen. 
b) Mische Literatur. Eine Anzahl der hervorragendsten Schriftsteller 
griff die bestehenden Zustände mittelbar oder unmittelbar in der schärfsten 
Weise an. Montesquieu verherrlichte die politische Freiheit als die Quelle
	        
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