§ 20. Blüte der Kunst und Wissenschaft. 69
anderen einen speertragenden Jüngling und einen anderen, der sich
sein Haar mit der Siegerbinde schmückt.
b) Die dichtende Kunst. Die durch die Perserkriege gesteigerte
geistige Spannkraft hatte auch viel zur Förderung der Dichtkunst und der
Wissenschaften beigetragen. Das Schauspiel wurde zum vollendeten
Kunstwerk erhoben. Durch Beifügung eines zweiten und dritten Schau-
spielers erlangte das Wechselgespräch immer größere Bedeutung. Der Stoff
zu den Trauerspielen wurde vorwiegend der Götter- und Heldensage ent-
nommen. Die drei größten Trauerspieldichter waren die Athener Uschylos,
Sophokles undEuripides. Der erste (1-456), einer der Kämpfer von Marathon
und Salamis, ein Vertreter der gemäßigten Richtung im Staatsleben,
ein ernster, religiöser Mann, machte die Bühne zu einer Stätte innerer
Erhebung und sittlicher Läuterung. Von seinen Stücken sind nur 7 er¬
halten, darunter „Die Perser" (in denen er den Sieg bei Salamis ver-
herrlichte) und eine vollständige Trilogie, die Orestie. Die erste Auf¬
führung ber Perser fand im Jahre 472 statt. Ihm in den Grundsätzen
ähnlich war Sophokles (f 406). Wir besitzen von seinen 130 Stücken
„König L/dipus", „Öbipus auf Kolönos", „Antigene" unb ba-
zu vier anbere. Euripibes (f 406) setzte unter bem Einflüsse ber neuen
Bilbuug ber Zeit unb als Kenner bes menschlichen Herzens bem erhobenen
Trauerspiel bas levbenschafttiche und rührende zur Seite. Den Gestalten
seiner Dichtung gab er die Denkweise und die Leidenschaften der Menschen,
wie er sie um sich sah, wodurch er dem religiösen Gefühl der Menge
Eintrag tun mochte. Der Chor tritt bei ihm mehr zurück. Erhalten
sind von ihm 16 Trauerspiele, darunter „Mebea", „Andrömache",
„Phädra", „Iphigenie in Aulis", „Iphigenie bei den Taureru"
und das Satyrspiel „KyklopV) An der Bearbeitung des Elektrastoffes
kann mfiTt die verschiedene Auffassung der 3 Dichter beobachten (s. Anhang).
1) Das griechische Theater (f. die Abbildung) zerfiel in drei Hauptteile,
den Zuschauerraum, die Orchestra und das Spielhaus. Die Sitzreihen erhoben
sich in Halbkreisform in 2—3 Stockwerken, die durch ebensoviel Rundgänge und
mehrere Treppen in keilförmige Abschnitte zerlegt waren. Eine Mauer oder eine
Säulenhalle schloß das Ganze nach außen ab. Die vordersten Plätze nahmen zu
Athen Beamte, Feldherren, Priester und Ehrengäste des Staates ein; sie alle saßen
in späterer Zeit statt auf Sitzstufen auf Marmorsesselm Frauen besuchten gewöhn-
lich nur das Trauerspiel. Die anfangs mit Sand (arena), später mit Steinplatten
belegte Orchestra hatte die Gestalt eines Halbkreises mit anstoßendem Rechteck.
Sie war von der untersten Sitzreihe durch einen Umgang, der nach beiden Enden
des Zuschauerraumes immer breiter wurde, und eine dahinter laufende mehrmals
überbrückte tiefe Wasserrinne getrennt, in der sich etwa fallendes Regenwasser
ansammeln sollte. Orchestra und Umgang, also Spiel- und Zuschauerraum,
erreichte man von außerhalb des Theaters rechts und links durch je einen Haupt-
ein gang. Im Mittelpunkte des Halbkreises der Orchestra stand ein Altar, auf
dessen Stufen auch die Flötenbläser oder, wenn einmal das Theater als Ver-
sammlnngsstätte einer Volksversammlung benutzt wurde, die Redner Stellung nahmen.
In der Blütezeit Griechenlands gab es keine Bühne. Vielmehr war die