Full text: Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates

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Deutsches Geistesleben in dieser Seit.*) 
Die Regierungszeit Ludwigs XIV. und seines Nachfolgers war 
auch in geistiger Beziehung leider nicht spurlos an dem deutschen 
Volke vorübergegangen. Man äffte nicht nur französische Kleidung 
und Hofsitte nach, sondern sah auch in der französischen Literatur 
und Kunst das Vollendetste und Erstrebenswerteste. Die vornehmen 
Kreise sprachen nur noch Französisch, lasen nur französische Schrift- 
steller, ließen ihre Kinder nur von Franzosen erziehen und ergötzten 
sich im französischen Theater und am französischen Ballet. Dadurch 
verbreitete sich französische Spottsucht und Leichtfertigkeit von oben 
nach unten. Bald schämte auch der Deutsche sich seines christlichen 
Glaubens und hielt es für geistreich, das Heiligste zu verspotten. 
Vernunft und Wissen wurden übermäßig geschätzt, und der Geist 
wollte sich nicht mehr beugen unter die übernatürliche Offenbarung. 
Voltaire und Rousseau waren die eifrigsten Verbreiter dieser ober- 
flächlichen Aufklärerei und bewirkten durch die blendende Pracht ihrer 
Sprache, daß sie Anhang gewannen in allen Volksschichten. Auch 
die Geistlichen und Lehrer waren zum großen Teile leider im Banne 
dieser neuen Geistesrichtung. Diese unselige Einwirkung des Fran- 
zosentums auf das deutsche Geistesleben wurde zwar erst gründlich 
gebrochen durch die Not der schweren Zeit, die Napoleon über das 
deutsche Volk brachte; aber der Kampf begann doch schon lange vor- 
her durch die Siege Friedrichs des Großen und durch die großen 
deutschen Dichter, die Deutschlands zweite goldene Blütezeit hervor- 
zauberten. Zuerst erschien Klopstock (1724—1803) aus dem Plan. Er 
war in seinem „ganzen Wesen deutsch, deutsch in seinem Ernst wie 
in seiner Gemütsinnerlichkeit, deutsch in Sitte wie im Leben, deutsch 
in seinen Bestrebungen, deutsch in seinen Erinnerungen und Hoff- 
nungen". Der französischen Frivolität setzte er deutschen Ernst 
entgegen, ließ kühn den Gesang der unsterblichen Seele erschallen 
von der sündigen Menschen Erlösung, und zeigte der erstaunten Mit- 
weit die hehre Pracht unserer lieben Muttersprache in seinen unsterblichen 
Oden. Neben Klopstock trat Lessing (1729—1781), der sich mit sieg- 
reicher Kraft gegen alle Selbstüberhebung und gegen alles Schlechte 
und Mittelmäßige in der Literatur wandte. In seiner Dramaturgie 
eröffnete er den siegreichen Feldzug gegen alle französische Nach- 
ahmung; in seiner Minna stellte er die echt deutsche Gestalt eines 
Telheim dem französischen Windbeutel Riccaut gegenüber, und in 
seiner Prosa befreite er die deutsche Sprache von der Unnatur und 
Geschraubtheit, in die ein bezopftes Gelehrtentum sie gefesselt hatte. 
Herder (1744—1803) öffnete dem Deutschen wieder die Augen für 
die wunderbaren Schätze seiner Volkslieder und Heldendichtungen, 
die Jungbrunnen unseres Volkes. Die beiden größten Männer auf 
dem Gebiete der Dichtkunst aber waren Goethe und Schiller. Sie 
haben durch zahlreiche herrliche Dichtungen unsere Muttersprache 
wieder in alter Schönheit hergestellt und Werke hervorgebracht, die 
die besten französischen Schöpfungen weit überstrahlen. 
Die Baukunst stand während des 18. Jahrhunderts in Deutsch¬ 
land gleichfalls unter französischem Einfluß. Schon längst hatte man 
die edle Renaissance mit der vornehmen Einfachheit und der Reinheit 
*) Vergl,: A. F. C. Söilmar, Geschichte der deutschen National-Literatur. 
©. Brugier, Geschichte der deutschen National-Literatur. Dr. E. Frantz, Handbuch 
der Kunstgeschichte. 
Werner, Lehrbuch. 8
	        
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