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Die französische Revolution.
Ihre Ursachen. Die verschiedensten Ursachen trafen zusammen,
um die große Staatsumwälzung, die man die französische Revolution
nennt, zu erklären. Ludwig XIV. hatte dem Lande durch seine
Kriege schwere Wunden geschlagen, aber immerhin in der größeren
Hälfte seiner Regierungszeit das ehr- und ruhmsüchtige Volk durch
glänzende Siege und durch die Pracht seiner Hofhaltung teilweise
versöhnt. Das fiel bei Ludwig XV. ganz fort. In seinen Kriegen
erntete er nur Schmach, und seine Hofhaltung war selbst dem
französischen Volke zu leichtfertig. So hatte das Königtum sein An-
sehen verloren. — Die ungeheure Schuldenlast des Landes bedingte
einen harten Steuerdruck, der um so empfindlicher wurde, als bei
der Steuerfreiheit des Adels, der Geistlichkeit und mancher Gruppen
des Bürgerstandes vornehmlich die Landbevölkerung die Steuerlast
zu tragen hatte. Auch wurden die Steuern schonungslos einge-
trieben von den Generalpächtern, die selten Menschlichkeit walten
ließen. Fast Dreiviertel seines Einkommens hatte der Bauer an den
Staat, den Gutsherrn und die Kirche zu zahlen. Bei solcher Lage
ließ er den größten Teil seines Landes unbeackert liegen, und das
Elend griff immer weiter um sich. Dazu kam der Geist der Wider-
setzlichkeit und der Verachtung göttlicher und weltlicher Autorität,
der von zahlreichen glaubenslosen Schriftstellern genährt wurde.
Endlich ist die Willkür in der Rechtspflege zu erwähnen. Königliche
Haftbefehle wurden von den Ministern verkauft und verschenkt, und
so wurde es möglich, Unschuldige auf kürzere oder längere Zeit ihrer
Freiheit zu berauben.
Ausbruch der Revolution. Bei der Thronbesteigung Ludwigs XVI.
überstiegen die jährlichen Staatsausgaben die Einnahmen schon in
so riesigem Maße, daß der Staatsbankrott unabwendbar schien.
Einsichtige Männer schlugen die Besteuerung des Adels und der
Geistlichen urtd Aufhebung der Leibeigenschaft vor. Die beiden bevor-
zugten Stände widersetzten sich, und der König entschied sich nicht
gegen sie. Der neue Finanzminister Necker wußte schließlich auch
keinen anderen Rat und wurde deshalb entlassen. Da kam man
auf den Gedanken, die Stände, die seit 1614 zu keiner Tagung mehr
zusammengetreten waren, wieder einzuberufen. Als Versammlungstag
wurde der 1. Mai, als Versammlungsort Versailles bestimmt. Die
Regierung hielt an der Zusammensetzung von früher fest, vergaß
aber, daß seit zweihundert Jahren die Zustände ganz anders ge-
worden und die an Einfluß und Ansehen gewachsenen Städte eine
stärkere Vertretung des dritten Standes zu fordern berechtigt waren.
Behielt man aber, wie die,Regierung und die Privilegierten wollten,
die alte Einrichtung bei, so wurde nach Klassen abgestimmt, d. h.
Adel und Geistlichkeit verfügten stets über die Mehrheit. Aus diesem
Grunde forderten die Vertreter des dritten Standes gemeinsame Be-
ratung und Abstimmung nach Köpfen. Sie erklärten sich, als
ihnen diese Forderung nicht bewilligt wurde, trotz des königlichen
Verbotes als Nationalversammlung und verpflichteten sich
durch Schwur, nicht auseinander zu gehen, bis fie dem Lande eine
neue Verfassung erwirkt hätten. Da befahl der König den Ständen
gemeinsame Beratung. Diese Nachgiebigkeit des Königs im unange-
brachten Augenblicke entschied sein Schicksal.
Die Nationalversammlung (1789—1791). Auf den Rat seiner
Umgebung zog der König wegen der Unbotmäßigkeit der unteren