Sagenhafte Taten einzelner Helden. 7
Herkules verschmähte den Genuß und die Freude, die ihm die Göttin
des Lasters verhieß, und folgte der Tugend, die ihm auf mühe- und
gefahrvollem Pfade ewigen Ruhm versprach. Er erschlug einen gefürchteten
Löwen und gewann dadurch die Hand einer thebanischen Königstochter.
Im Wahnsinn, den Hera über ihn kommen ließ, tötete er seine eigenen
Kinder. Das delphische Orakel verpflichtete ihn, zur Strafe und Sühne
zwölf Arbeiten zu verrichten, die ihm, der Mannesmut über alles schätzte,
sein feiger Halbbruder, der König Eurystheus von Myeenä, zuweisen
sollte. Gehorsam löste er unter übermenschlichen Anstrenguugen die ihm
gewordenen Aufgaben.
1. Herkules tötete den Löwen von Nemea, dessen Haut sein Mantel, dessen
Kopf sein Helm wurde.
2. Er erlegte die vielköpfige lernäische Schlange und tränkte mit ihrem Gift
seine Pfeile.
3. Die schnellfüßige Hirschkuh der Artemis fing er lebendig, nachdem er sie
ein Jahr lang verfolgt hatte.
4. Er reinigte die Ställe des Augias von dem seit dteißig Jahren auf-
gehäuften Dünger von 3 000 Rindern, indem er einen Fluß hindurchleitete.
5. Einen gefürchteten Eber brachte er lebendig zu Eurystheus.
6. Er bezwang den alles verwüstenden kretischen Stier.
7. Die stymphalischen Vögel, die sich von Menschenfleisch nährten, tötete er
und befreite so das Land von einer furchtbaren Plage.
8. Er fing die Menschenfleisch fressenden diomedischen Rosse ein und brachte
sie zu Eurystheus.
9. Von der iberischen Halbinsel raubte er die Rinder des Geryon und über-
lieferte sie dem Könige von Mycenä.
10. Er holte die goldenen Äpfel der Hefperiden aus dem fernsten Westen.
11. Der Amazonenkönigin Hippolyt« entriß er ihren Gürtel und brachte ihn
der Tochter des Eurystheus zum Geschenk.
12. Er holte den dreiköpfigen Höllenhund Cerberus aus der Unterwelt und
führte ihn auf des Eurystheus Geheiß auch wieder dahin zurück.
Nach diesen gewaltigen Taten war Herakles von seiner Dienstbarkeit
bei Eurystheus erlöst. Er gewann die schöne Königstochter Dejanira
zur Gemahlin. Auf der Reise nach Theben tötete er mit seinen ver-
gifteten Pfeilen den Centauren Nessus, der die Dejanira entführen
wollte. Mit seinem Blute bestrich sie ein Feiergewand des Herkules, da
nach des sterbenden Nessus Worten sein Blut ihr des Gatten Liebe er-
halten werde. Herkules legte es an, wurde nun aber von entsetzlichen
Qualen gefoltert und wollte sich selbst auf einem Scheiterhaufen den Tod
geben. Aber Zeus nahm den geläuterten Sohn in den Olymp, und die
nun versöhnte Hera gab ihm ihre Tochter Hebe, die Göttin der Jugend,
zur Gemahlin.
Herkules, der den bequemen Lebensgenuß verschmähte, der in ge-
waltigen Kämpfen Unholde allerart besiegte und gehorsam die ihm von
Eurystheus übertragenen Aufgaben vollführte, war in seiner Entsagung,
seinem Heldentum und seinem Gehorsam das Ideal des kräftigen dorischen
Volkstums.