Full text: Unsere Kaiser und ihr Haus

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Vi erter Zeitraum. 
Rudolph das Crucifir vom Altäre, und sprach: Dieses Kreuz, welches 
die Welt erlöset hat, wird ja wohl die Stelle eines Scepters vertreten 
können. . ;• 
Mit dem Pabste setzte Rudolph sich gleich auf einen guten Fuß, 
doch zog er nie nach Nom, sich krönen zu lassen. Den Ottokar von 
Böhmen, der ihm nicht huldigen wollte, besiegte er in zwei schweren 
Kriegen, und nahm ihm Oe streich, welches derselbe auch widerrecht¬ 
lich besaß, und belehnte damit seinen Sohn Albrecht. Seitdem ist 
Oestreich dem habsburgischen Hause verblieben, und so ist Rudolph 
der Stammvater des noch jetzt blühenden östreichischen Hauses. 
Nichts lag ihm mehr am Herzen, als sich die vornehmsten Reichs¬ 
fürsten zu Freunden zu machen, und er gab deswegen seine 6 Töch¬ 
ter den mächtigsten Basallen zur Ehe. Dann reifete er im ganzen 
Lande umher, den Zustand der Ordnung und des Rechts herzustellen, 
welcher im Interregnum fast verschwunden war, saß selbst zu Gerichte, 
und verhörte die Parteien so weise,, daß man ihn das lebendige 
Gesetz nannte. Er züchtigte die Räuberbanden und Raubritter, und 
zerstörte in einem einzigen Jahr 70 Raubschlösser. Dabei war er äu¬ 
ßerst leutselig und immer heiterer Laune, und seine Leute erlaubten sich 
oft einen gutmüthigen Scherz mit ihm, den er gewöhnlich auf eine 
naive Art erwiederte. 
Er starb 1291. So gut er auch regiert hatte, so wollten die Für¬ 
sten doch seinen Sohn Albrecht nicht zum Thronfolger wählen, sondern 
zogen den Grafen Adolph von Nassau vor, weil dieser nicht mäch¬ 
tig war. Albrecht warf sich zum Gegenkaiser auf, und erlegte den 
Nassauer 1298. 
Der neue Kaiser Albrecht besaß nicht Rudolphs Tugenden, und 
verlor sogar die Stammgüter in der Schweiz. 
§- 71. 
Wilhelm Tell. 
Die Schweiz stand früher unmittelbar unter dem deutschen Reiche, 
und wählte sich ihre Ortsobrigkeiten selbst; der Kaiser setzte einen 
Schutzvogt, der gewöhnlich ein Graf aus ihrer Mitte war. Als aber 
Albrecht Kaiser war, forderte er die Schweizer auf, sich dem ewigen 
Schirme des Hauses Habsburg zu unterwerfen, und setzte ihnen zwei 
Landvögte, Geßler zu Altorf im Lande Uri, und Landenberg 
zu Sarnen in Unterwalden. Beide drückten das Schweizervolk in 
argem Maaße, so daß in der Nacht vom 7ten auf den 8ten Novem¬ 
ber 1307 auf der Wiese Rütli am Vierwaldstättersee 33 edle Schwei¬ 
zer sich verschwuren, die Freiheit des Landes zu vertheidigen, aber kein 
Blut unnütz zu vergießen, und dem alten Hause Habsburg keine 
Rechte zu schmälern. 
Geßler muß etwas von den Unzufriedenen vernommen haben. 
Um sie herauszusinden, ließ er auf dem Markte zu Altorf auf einer 
hohen Stange einen Hut aufstecken, mit dem Befehle, wer es mit dem 
Kaiser treu meine, solle im Vorübergehen vor dem Hute sein Haupt
	        
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