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C. Z)ie KreuZzüge und ihre Iotgen.
a) Der I. Kreuzzug von 1096—1099.
«) Die Veranlassung.
Als Deutschland und Italien durch den Jnvestiturstreit zerrissen
wurde, da rüstete man sich in den westlichen und südlichen Gegenden Eu-
ropas zu einem heiligen Kriege, der die Befreiung des heiligen Grabes
zum Ziele hatte. Es geschah dies auf das Gebot des Papstes, welcher
vom griechischen Kaiser wiederholt um Hülfe gegen die ihn arg bedrängen-
den seldschnkkischen Türken angerufen war. Papst Urban II. leistete diesem
Hülferufe gern Folge, um so ein stattliches Heer zu befehligen, welches er
auch leicht seinen Ideen und Zwecken dienstbar machen konnte.
Die Legende berichtet darüber jedoch anders:
Schon seit den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeit war es
Sitte, daß die frommen Christen nach Palästina pilgerten, um hier an
den heiligen Orten, an denen der Herr Jesus gelebt und gelitten hatte,
und an seinem Grabe zu beten. Seit dem 7. Jahrhundert herrschten die
Araber über das heilige Land. Sie gestatteten den Christen gegen Ent-
richtuug einer mäßigen Steuer, die heiligen Orte zu betreten. Als aber
1073 die Herrschaft in Jerusalem den seldschnkkischen Türken zufiel, be-
drückten sie die ansässigen Christen und die frommen Pilger aufs härteste.
Zu dieser Zeit pilgerte auch ein einfacher Einsiedler, Peter aus
Amiens, nach Jerusalem. Als er die furchtbaren Leiden der Christen sah,
und als ihm der Patriarch von Jerusalem die große Not der Christen
schilderte, faßte Peter den Entschluß, dafür zu wirken, daß das heilige
Land den Händen der Ungläubigen entrissen werde. Hierin wurde er
bestärkt, als ihm eines Tages am heiligen Grabe die Stimme des Herrn
auftrug: „Stehe auf, Peter! Eile, aller Welt die Trübsale meines Volkes
zu verkündigen. Es ist Zeit, daß meine Diener errettet und die heiligen
Orte befreit werden!"
Nun begab sich Peter eilends nach Rom und schilderte dem Papste
die Leiden der Christen. Der Papst war für einen Zug der Christen
des Abendlandes zur Befreiung Jerusalems begeistert. Peter durchzog
darauf Italien und Frankreich, auf einem Esel reitend, angethan mit einem
groben Mönchsgewand, das durch einen Strick zusammengehalten wurde,
barhäuptig und barfüßig, predigte dem Volke von den unsäglichen Leiden
der Christen und begeisterte viele zu einem Zuge nach dem Morgenlande
zu ihrer Befreiung.
Der Papst berief 1095 eine große Kirchenversammlung nach Clermont
in Frankreich. Auf dieser schilderte zunächst Peter mit ergreifenden Worten
die trübselige Lage der Christen in Palästina. Als dann auch der Papst
die schändliche Sklaverei der Glaubensbrüder beklagte und die anwesenden
Ritter aufforderte, ihre Waffen zur Ehre Gottes zu führen und an das
Wort Christi: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist
meiner nicht wert; wer sie aber um meinetwillen verläßt, wird das ewige
Leben ernten", erinnerte, rief die bewegte Menge: „Gott will es! Gott
will es!" und sogleich meldeten sich viele zu diesem heiligen Kriege. —