Full text: Unsere Kaiser und ihr Haus

Bald fürchteten sich die Germanen nicht mehr vor den Römern, 
sondern umgekehrt die Römer vor den Angriffen der ersteren. Zwar ge- 
lang es noch dem tüchtigen Kaiser Marc Aurel (f 180), dem Vordringen 
der Germanen über die Donau Einhalt zu gebieten. Als er aber bei 
einem zweiten Einfall zu Wien starb, setzte sein schwacher Nachfolger den 
Krieg nicht fort, sondern erkaufte sich den Frieden durch Entrichtung von 
Geschenken. 
Nach diesem sogenannten Markomannenkriege folgte eine kurze Zeit 
der Ruhe zwischen den Germanen und Römern. Ende des zweiten Jahr- 
Hunderts fand eine Zusammenfassung der einzelnen kleinen Stämme zu 
Völkerbündnissen statt. Als solche werden uns aufgeführt: 
1) Die Allemanen und Schwaben, ein Mischvolk aus verschie- 
denen germanischen Stämmen, am Oberrhein. 
2) Die Franke n (hierzu gehören auch die Chatten, Sigambrer, 
Cherusker) am Mittel- und Unterrhein. 
3) Die Sachsen, von der Ruhrquelle bis nach Holstein. 
4) Die Thüringer, Reste der Hermunduren, von der Ruhrquelle 
südlich bis an die Donau. 
5) Die Goten, von der Weichsel bis ins Donautiefland (die West- 
goten) und ein anderer Teil bis an das schwarze Meer (Ostgoten). 
Andere Gruppeu, wie die Burgunder, Longobarden treten erst zur 
Zeit der Völkerwanderung auf. Die obigen Völkerbündnisse entstanden 
dadurch, daß sich verwandte benachbarte Stämme anfangs _ zur Abwehr, 
bald zum Angriff gegen Rom vereinigten. Gemeinsame Heiligtümer und 
Opfer bildeten dazu ein religiöses Band. Zu festgesetzter Zeit versammel- 
ten sich die Stämme, um über Krieg und Frieden, über Bündnisse n. 
bergt wichtige Gegenstände zu beraten Im Felde hatten sie einen ge- 
meinsamen Herzog. — Die inneren Angelegenheiten ordnete jeber Stamm 
für sich allein. 
Im dritten Jahrhundert stürmen diese Völker gegen die nächsten 
römischen Grenzen und begehren neue Wohnsitze. So dringen die Franken 
über den Niederrhein nach Gallien ein und nehmen nach uud nach Belgien 
in Besitz; die Allemanen erobern das Dekumatland; die Goten dringen bis 
an die untere Donau vor; die Sachsen plündern die Küsten der_ Nordsee. 
Zwar gelingt es einigen, tapferen Kaisern, die Angriffe abzu- 
weisen; zum Beispiel werden im Jahre 357 die Allemanen, nachdem 
sie bereits das Elsaß erobert hatten, durch den Sieg bei Straßburg vom Kaiser 
Julian über den Rhein zurückgeworfen; allein dauernde Erfolge hatten 
solche Siege nicht. Die Germanen erschienen verstärkt unter günstigeren 
Umständen auss neue und rissen endlich doch große Länderstrecken an 
sich. — Die entarteten Römer konnten ihnen nur noch germanische Söld- 
ner, germanische Hauptleute und Feldherren entgegenstellen. Bald erhiel- 
ten verdiente Germanen auch angesehene Hofämter und regierten so das 
morsche Reich (z. B. der Vandale Stilicho in Rom um 400). 
Die Germanen waren auch nicht fo ungebildet wie früher. Durch 
den steten Verkehr mit den Römern, durch die Kriegs- und Hofdienste 
erwarben sie bald Kenntnisse und Fertigkeiten, die sie zu Gründungen von 
Staaten befähigten. So gingen die Germanen immer vorwärts, die
	        
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