116 Zweiter Seitraum. Deutsche Geschichte von Karl d. Großen bis zum Ende d. Interregnums
Unter der Rüstung Unterkleider aus Leder oder grobem Leinen. Darüber das aus
Eisenringen zusammengesetzte Eisenhemd, später der Plattenpanzer. „Brünne"
als Brustschutz, „Schienen" als (Blieberschutz, Topfhelm,- spater mit „visier" und
„Helmschmuck". Eiserne Ringhandschuhe. Langes Schwert, Dolch, lange Stotz-
lanze, kurze Wurflanze = „Ger". Dreieckiger Holzschild, überzogen von Eisen¬
blech oder von Leder mit Eisenbuckeln,- später auf dem Schilde wie auf dem Helme das
„tDappenzeichen" als Turniererkennungszeichen, dann als Geschlechts- und Herrschafts¬
wappen.
Drei Arten von U)aff enspielert: Buhurd = harmloses Lanzenstechen ungerüstete^
nur durch den Schild gesicherter Ritter; Tjoste = Wertkampf zweier gerüsteter Ritter;
Turnier = Wertkampf zweier gleichstarker Parteien, erst mit stumpfen, später vielfach
mit scharfen Waffen. (Kirchliche Turnieroerbote.)
3m Winter Verkürzung der Langeweile durch Jagden unb durch Brett- (Schach-),
Würfel- und Ballspiele. — Selbstlose Pflege der Gastfreundschaft. — (Erheiterung
durch „Fahrende" oder „Spielleute" mit ihren neuen Tanzweisen, alten Helden¬
liedern und allerlei Gaukelspiel.
4. Blütezeit und verfall des Rittertums.
Die Blütezeit des Rittertums fällt in die Zeit von 1150—1250. Das mar
ein Jahrhundert heiteren Lebensgenusses und größter Daseinsfreude der oberen
Stände. Über die Kurzweil und die Feier von hohgeziten hinausgehend, schufen
die Ritter als Vertreter des damals herrschenden Standes eine demselben ange¬
paßte Kultur, deren schönstes Erzeugnis die mittelalterliche Dichtkunst ist.
Rber mit der Herrlichkeit des Reiches zerfiel auch das Rittertum. Seine
Ideale verblaßten, der Minnedienst artete oft genug in Narrheit aus, seine Zucht,
seine Dichtung starben hin. Dazu kam, daß der Ertrag der meist durch Pächter
betriebenen Güter den Ansprüchen, die das Leben und vor allem das höfische
Leben stellten, nicht genügte, zumal die fortschreitende Geldwirtschaft zwar eine
Verteuerung der Lebenshaltung, nicht aber eine den veränderten Verhältnissen
angepaßte Änderung der Pachtverträge zur $olge hatte. Die Geldwirtschaft
mar es auch, die den Schwerpunkt der Kultur in die Städte verlegte. 3n der
Zolgezeit verkamen unzählige Ritter; aus edelen ritern wurden Raubritter.
Schließlich wurde das Rittertum durch das Hufkommen der Schußwaffenund der
zu $uß kämpfenden Heere auch auf dem Gebiete des Kriegswesens beiseite geschoben.
5. Lehnswesen.
Die gesamte deutsche Ritterschaft bildete als „Lehnsverband" eine Hrt
Staat im Staate, der für die Politik der deutschen Könige im Mittelalter von
ausschlaggebender Bedeutung war.
Zeder Ritter hatte in der Regel außer seinem Eigenbesitz (Hllod) nochLehns-
gut. „Lehnsfähig" waren außer den Rittern nur Bischöfe und Äbte, später auch
Städte. Gegenleistung für das „echte" Lehn war stets ritterlicher Dienst
bzw. bei geistlichen Lehnsträgern Stellung einer der Größe des Gutes entspre-
chenden Anzahl von Berittenen. (Lehen gegen Zins oder §ronden galten