§ 46. Die letzten Auseinandersetzungen bes deutschen Königtums mit dem Papsttum usw. 139
2. Oer Ausgang des Kampfes zwischen Königtum und Fürstentum
im späteren deutschen Mittelalter.
a) Der Abschluß der Entwickelung der fürstlichen Laudeshoheit. Die Er¬
starkung des Fürstentums war ein geschichtlicher Vorgang, dessen Verlauf
seit der zunehmenden vererblichung der großen Reichslehen selbst die gewaltig¬
sten Herrscher auf dem deutschen Königsthrone höchstens verzögern, nicht
aber hatten aufhalten können. Die machtlosen Wahlkönige des späteren Mittel-
alters standen ihm völlig hilflos gegenüber. Zollrecht, Münz-, Markt-
gerechtigkeit, überhaupt alle einst königlichen Regale waren allmählich
in die Hände der Fürsten übergegangen. Seit dem Interregnum kam auch die
kaiserliche Gbergerichtsbarkeit immer mehr in Vergessenheit. Gegen
Ende des Mittelalters war tatsächlich jeder größere deutsche Kürst
in seinem Lande unumschränkter Herr, wenn er nur die Macht besaß,
sich gegenüber dem Kaiser oder seinen fürstlichen Nachbarn durchzusetzen. Das
maßlose Z eh deunwesen jener Zeit läßt erkennen, daß selbst die unbeschränkte
Kriegführung von allen Fürsten als ein ganz selbstverständliches Recht an¬
gesehen wurde. So war auch „das letzte und erhabenste Ziel", das das frühere
Mittelalter dem deutschen Königtum gesetzt hatte, die Zriedenswahrung,
diesem verloren gegangen.
Seit dem aussterben der Hohenstaufen war es offenkundig, daß das
römische Kaisertum nichts anderes mehr war, „als eine der deutschen Nation
überkommene Summe nicht mehr völlig zu verwirklichender Ansprüche (Lam¬
precht IV, 116); aber auch das deutsche Königtum war nicht viel mehr
als ein bedeutungsloser staatsrechtlicher Legriff.
Die eigentliche Reichsgewalt lag am Ende nicht mehr bei ihm, sondern
bei einer Zürstengruppe, die sich im Laufe der Zeit fast unmerklich aus der üb¬
rigen Zürstenschaft herausgehoben hatte, den Kurfürsten.
b) Das Nurfürstenkollegium und die Regelung des Verfahrens bei Königs-
wählen.
1. Das bisherige Wahlverfahren. Bis zum Jahre 1356 gab es keine geschrie¬
benen staatsrechtlichen Bestimmungen über die deutsche Königswahl.
Lamprecht IV, 23: „Das Wahlrecht verquickte sich mit einem Erbrecht der einmal
zur Herrschaft gelangten $amilie: es war nur eine Auswahl aus den innerhalb dieser $am
zu Gebote stehenden Erben."
Ausschlaggebend war also das Wahlrecht. Das Wahlverfahren galt als
Nebensache, vielfach einigten sich die Kaiser mit den ans einem Hostage ver¬
sammelten gürsien über den Thronsolger. In «"deren fallen wählten auf
Reichsoersammlungen die güisien, »nd das anwesende Volk zei^e seinen
Beifall. Zuweilen forderten die vier Stämme d-r ^ ° " n, S a ch s e n, Sran
und Schwaben für sich das Recht, je einen Thronkandidaten d-n Znrsten
zur Auswahl und zur Schlutzroahl vorschlagen zu 2m Sachsen-
fpiegel wurde dieses Vorschlag-recht den kleineren geistlichen und roelt-