Full text: Deutsche Geschichte und sächsische Landesgeschichte bis zum Ausgange des Mittelalters (Teil 5)

§ 23. Chlodwig und das Frankenreich unter den INerowingern 5] 
Aufrichtiger religiöser Empfindungen völlig unfähig, ohne Verständnis für den 
Kreuzestod des Gottessohnes, unterhielt er doch nach seinem Übertritt zum katho- 
tischen Glauben (Klamannenschlacht, Bischof Remigius, Taufe zu Reims) gute Be- 
Ziehungen zur Kirche, seinem einzigen und sehr nützlichen Bundesgenossen. (Bischof Gregor 
von Tours: «Gott warf Tag für Tag seine Keinde vor ihm zu Boden und vermehrte 
sein Reich, darum, daß er rechten Herzens vor ihm wandelte und tat, was seinen Augen 
wohlgefiel.") Durch Mord und verrat beseitigte er, den als den damals einzigen athana- 
sianischen Germanenkönig der Beiname „der Allerchristlichste" zierte, alle übrigen 
fränkischen Völkerschaftskönige. 
Gegen Ende seiner Regierung reichte sein Reich vom Main und Neckar bis zur 
Garonne. 
2. Gebietserwerbungen unter Chlodwigs Nachfolgern. 
551 erlag dem vereinigten Angriffe der Franken und Sachsen das Thüringerreich 
des Hermannfried. (Schlacht bei Burgscheidungen. Ermordung Hermannfrieds.) Nord- 
thüringen nahmen die Sachsen, Südthürmgert die Kranken in Besitz. 
Ein Jahr darauf wurde das Burgunderreich infolge innerer lvirren und Streitig- 
leiten im Königshause eine leichte Beute der ZNerowinger (532). 
Durch Vertrag mit dem von (Dström bedrängten XDitiges ging bald darauf auch die 
Provence aus ostgotischem in fränkischen Besitz Über (536). Durch Eheschließung eines 
fränkischen Königs mit einer westgotischen Prinzessin kam etwas später (567) das Garonne- 
gebiet bis zu den Pyrenäen unter fränkische Herrschaft. Die herzöge von Bayern (aus 
dem Geschlechte der Agilolfinger) erkannten freiwillig die fränkische Oberhoheit an. 
Als etwa 100 Jahre danach auch noch das westgotische Septimanien von den Kranken 
erworben worden war, erstreckte sich das fränkische Reich über das gesamte heutige 
Srankreich, Belgien, Holland, Deutschland bis zur Saale und über die westliche Schweiz. 
Diese Erfolge wurden errungen, trotzdem nicht einer unter öen Nachkommen 
Chlodwigs durch besondere Zeldherrn- oder herrschergaben ausgezeichnet mar. 
Im Gegenteil: in Leinlichem Verwandtengezänk verzehrte sich die Kraft des 
Herrscherhauses, und die Zwisttgkeiten nahmen zuzeiten Zormen an, die durch die 
schlimmsten Zustände orientalischer Höfe nicht überboten worden sind, so 3. B. 
unter den Königinnen Brunhilde (flustrien) und Zredegunde (Heustrien) 
Ausgang des 6. Jahrhunderts. Allein der Brunhilde wurden zehn Ttlordtaten 
an Mitgliedern des merowingischen Königshauses vorgeworfen. (Das Gedächt¬ 
nis dieses Streites der Königinnen lebt noch im Nibelungenliede fort.) 
„Es war eine seltsame Zeit, diese fränkische Königsperiode der ZTIerorvinger! Reli¬ 
giosität und Aberglaube, ängstliches Beharren auf dem orthodoxen Dogma des nizäischen 
Konzils auf der einen Seite, grober Unglaube, die größten Greuel, ITTord, Ehebruch, Blut- 
, schände auf der andern; hier die fürchterliche Roheit der germanischen (Eroberer mit Kraft 
und kriegerischem Itlut verbunden, dort die Sittenverdorbenheit der halbgebildeten Römer 
bilden die $arbe zu einem Gemälde, an dem man bisweilen gar gern nur Sitteneinfalt, 
Naturkraft und religiösen Glauben hervorheben möchte." (L. häusser, Über die deutschen 
Geschichtschreiber vom Anfang des $rankenreiches bis auf die Hohenstaufen. Heidelberg 
1839.) 
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