Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht in Seminaren (Teil 3)

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hat er ziemlich gegessen und ist fröhlich gewesen, auch mit Scherzreden. Nach 
dem Nachtmahl hat er wieder etwas geklagt, es drncfe ihn auf der Brust, 
und hat warme Tücher begehrt. Haben die Herren und wir den Arzt wollen 
holen lassen, hat er's verboten, und etwa zwei oder dritthalb Stunden auf 
dem Ruhebettlein geschlafen. Haben wir, Herr Michael Colins, ich Jonas, 
der Wirt, Stadtschreiber zu Eisleben, und die Wirtin, auch seine zween 
Söhne ungefährlich bis halb elf Uhr bei ihm gewacht. Da hat er begehrt, 
man sollte' ihm das Bett in der Kammer wärmen, welches alles mit großem 
Fleiß geschehen, nnd haben ihn zu Bett gebracht. Ungefährlich um elf ist 
er eingeschlafen, hat geruhet mit natürlichem Schnauben. Danach, gnädigster 
Herr, um ein Uhr in der Nacht hat er den Diener Ambrosius und mich, 
Doktor Jonas, aufgerufen; erst dem Diener gesagt: „Mache das Stüblein 
warm!" Als der Diener aber geeilet und das Stüblein allbereit warm ge¬ 
wesen (als die ganze Nacht darauf bereitet), hat er zu mir gesagt: „O, Herr 
Gott! Doktor Jonas, wie ist mir so übel, mich drückt es so hart um die 
Brust. O, ich werde zu Eisleben bleiben." Indem ist Ambrosius und wir 
alle zugelaufen, haben ihm aus dem Bette geholfen. Als er ins Stüblein ge¬ 
kommen, ist er noch einmal umher gegangen, danach aber warme Tücher be¬ 
gehrt. Haben wir eilend beide Ärzte in der Stadt lassen aufwecken, welche 
auch eilends gekommen; desgleichen meinen gnädigen Herrn, Graf Albrecht, 
lassen wecken, der bald mit der Gräfin gelaufen gekommen, Aquavite nnd 
des Doktors Arznei und alles versucht. Da hat Doktor Martin angefangen 
zu beten: „Mein himmlicher Vater! Ewiger, barmherziger Gott! du hast mir 
deinen lieben Sohn, unsern Herrn Jesum Christum, offenbaret; den habe ich 
gelehret, den habe ich bekannt, den liebe ich, und den ehre ich für meinen 
lieben Heiland und Erlöser, den die Gottlosen verfolgen, schänden und schelten. 
Nimm meine Seele zu dir!" Nachdem redete er dreimal: „In deine Hände 
befehle ich meinen Geist!"..und: „Also hat Gott die Welt geliebet." Indem, 
gnädigster Herr, als die Ärzte und wir die besten Stärkungen brachten, be¬ 
gann er einmal stille zu schweigen, als sinke er dahin, und auf unser heftig 
Rufen und Rütteln antwortet er nicht. Indem aber die Gräfin und die 
Ärzte ihm Aquavite einstrichen, begann er wieder zu antworten, doch schwäch¬ 
lich, Herrn Michael Cölius und mir: „Ja" und „Nein". Und da wir ihm 
bald einschrieen nnd fragten: „Allerliebster Vater, ihr bekennet ja Christum, 
den Sohn Gottes, unsern Heiland und Erlöser!" sprach er noch einmal stark, 
daß man's hören konnte: „3a!" Danach war ihm Stirn und Angesicht kalt. 
Und wie hart man rief, rüttelte und mit dem Taufnamen nennete „Doktor 
Martine!" antwortete er nicht mehr, tat einen sanften Odem und seufzte mit 
gefalteten ineinander geschlagenen Händen. Und, gnädigster Herr, das wir 
mit betrübtem Herzen und vielen Tränen klagen, ist also in Christo ent¬ 
schlafen, ungefähr zwischen zwei und drei in der Nacht gegen den Morgen. 
Dieses, gnädigster Kurfürst und Herr, habe ich bald die folgende Stunde, 
meiner untertänigen schuldigen Pflicht nach, wiewohl wir Armen, seine Schüler 
und Jünger von fünfundzwanzig Jahren her, aufs höchste durch diesen Fall 
betrübt, Eurer kurfürstl. Gnaden' sollen eilend schreiben und zu erkennen geben. 
Datum in Eil. Eisleben, Donnerstag nach Valentin um vier Uhr früh 
am 18. Februar Anno 1546. 
Eurer kurfürstlichen Gnaden untertäniger, williger Diener 
Justus Jonas.
	        
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