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Volk, das viel aufs Messelesen hält und oft auch bor Tags Mägde und
Knechte zu der Frühmesse nötigt. Im Almosengeben ist es mild und frei¬
gebig, ernährt viel Bettelmönche und andere Geistliche, deren sie einen Haufen
haben, wie kaum ein anderes Volk. Desgleichen viel Stiftskirchen voller
Chorherren, Domherren, Bischöfe, Prälaten, Äbte, Pröpste, Dekane usw.
Spitäler hat dies Volk nicht wenig; auch in den Städten hin und her viel
arme Schüler und Halbpfaffen, die sie zu Pfaffen aufziehen, und wiewohl
sie ihnen nicht sehr hold sind, so hätte doch jeder gern einen Pfaffen in ferner
Familie und dünkt ihm dadurch sein ganzes Geschlecht selig.
In Deutschland gibt es sehr viel Bettler und armes Volk, das mehr aus
Unmäßigkeit denn von Natur in Armut und Krankheit gefallen ist und wohl
aus seinem steten Müßiggang und. stetem Zehren und Wohlleben an den
Bettelstab gekommen ist denn aus Übelstand des Landes und Teuerung der
Nahrung. Denn hat dies Volk, so vertut es und lobt St. Martin, lebt in
den Tag aufs Geratewohl ohne alle Fürsorge, daß ihre Nahrung alle Tage
ausgeht und sie kaum eine böse Woche lang etwas zuzubüßeu haben, geschweige,
daß sie sollten ein böses Jahr ertragen können. Denn kaum der halbe Teil,
ja nicht der dritte Teil arbeitet, so du ihre Herren, die müßigen Bürger,
Kaufleute, Adel, Fürsten, Schüler, Pfaffen, allerlei Mönche, Kinder, Kranke,
Bettler, ja alle Weiber abrechnest.
Wiederholt erhoben sich die Bürger gegen die Geistlichkeit, hauptsächlich weil diese zu viel
weltlichen Besch in ihre (bie „tote") Hand brachte. 1525 stellten die Elf Ämter (Handwerker)
Osnabrücks ihre Forderungen in 20 Artikeln zusammen, der Pöbel erbrach und plünderte
sogar die Häuser der Geistlichen. Einige der in niederdeutscher Sprache abgefaßten Artikel
lauten nach den „OSnabrüggischen Unterhaltungen" Jahrg. 1770 S. 27ff.:
1. Die Geistlichkeit möge hinfort die Bürger und andere Einwohner (der
Stadt) nicht mit päpstlichen und anderen geistlichen Mandaten, Bannsprüchen
und Interdikten beschweren und dadurch das Volk vom Gottesdienst fernhalten,
sondern sie vor dem zuständigen Richter belangen lassen, ausgenommen im
Falle übersührter Ketzerei.
2. Daß die Geistlichen sowie ihre Knechte und Mägde sich hinfort jedes
weltlichen Handels und Gewerbes enthalten.
3. Die Geistlichen, ihre Knechte und Mägde mögen keinen Ackerbau treiben,
sondern ihr Land den Bürgern gegen angemessene Pacht oder gegen Weinkanf
überlassen, wie ehemals die Geistlichen gepflegt, die nur von ihrer Rente lebten.
4. Fortan sollen die Geistlichen gleich den anderen Einwohnern die
städtischen Lasten tragen helfen.
6. Daß die Zuschläge (Einfriedigungen), welche von den Geistlichen in
der Stadt und in der Feldmark angelegt sind, wieder geöffnet werden*).
9. Die Güter, welche den Geistlichen geschenkt oder von ihnen gekauft
sind, mögen wieder in weltliche Hände kommen, die geschenkten gegen Erstattung
des Wertes, die gekauften gegen Rückgabe des Kanffchillings.
13. Die Prediger an den vier Kirchfpielkirchen der Stadt mögen fleißig
darauf achten, daß sie nur die Heilige Schrift auslegen und predigen und sich
aller Fabeln und Träume gänzlich enthalten, wodurch das Volk mir ver¬
fuhrt wird.
*) Damit auch die Äcker der Geistlichen im Herbst beweibet werden könnten.