Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht in Seminaren (Teil 3)

— 175 — 
nur in zwei Häusern gesehen; diese kamen aus Mailand. Die vornehmste 
Bekleidung der Gemächer ist Getäfel mit gotischem Schuitzwerk; jede einzelne 
Tafel hat die Form eines Porträts, Fensters oder dergleichen, mitunter sieht 
man auch Figuren, Fruchtschnüre u. a. mit Fleiß aus Nußbaum geschnitzelt. 
Diese Vertäfelung der Wohnzimmer in vornehmen und gewöhnlichen Häusern 
hat ihren Grund in der Strenge des Winters. Aber die braune Farbe des Nu߬ 
baumes und des Firnisses ans Tannenholz macht diese Gemächer düster, wozu 
die engen, niedrigen Fenster und die geringe Höhe der Stockwerke auch bei¬ 
tragen. Die Fußböden der Schlafzimmer sind fast alle mit Steinen besetzt, 
die der Wohnstube aber, um sie warm zu halten, mit Holz belegt. „Äer 
strenge Winter macht Wärme notwendig, man bedient sich daher der großen Öfen. 
Außer Porträts und Landschaften sieht man in den Zimmern selten Gemälde, 
denn durch die Religionsveränderung wurden alle religiösen und heiligen Bilder 
verdrängt. Statt dessen sind die Wände der Wohnstuben in mittleren und 
vornehmen Häusern nach alter Art mit zinnernen Gefäßen von allen Größen 
und Formen behängt, die immer wie neu aussehen müssen. Die Gerätschaften 
sind auf Dauer gemacht, wenig zahlreich, viel weniger prächtig, aber oft von 
gutem Geschmack. Für den täglichen Gebrauch sind in den Wohnzimmern längs 
der Wand und um einen großen Tisch herum lange Bänke für die Haus¬ 
haltung hingestellt, wovon die oberste, für den Herrn und die Frau des Hauses 
bestimmt, mit Tnch ansgeschlagen ist. Kommt Gesellschaft, so werden in den 
reicheren Häusern hölzerne Stühle hingestellt, deren Sitze mit Sammet beschlagen 
und mit seidenen, auch, wenn gleich selten, mit silbernen und goldenen Fransen 
geziert sind. Wenige Reiche begnügen sich mit Stühlen, mit gefärbtem Tuch 
oder Leder ausgeschlagen, oder mit Polstern daraus, die von den Fraueu und 
Töchtern im Hause gestickt sind. Mit dergleichen und auch mit gestickten 
Teppichen werden bei festlichen Gelegenheiten die Tische bedeckt. Lehnstühle 
hält dieses rüstige Volk nur für Kranke oder Greise tauglich. Reiche Leute 
haben ein großes Kapital an einer Menge von silbernen und vergoldeten Trink¬ 
gefäßen, Pokalen, Schüsseln u. a. und darunter viele von vortrefflicher Arbeit. 
Die großen Trinkgefäße haben die Figuren von Kriegern, Pferden und anderen 
Tieren, die etwa der Besitzer in seinem Wappen führt. Unter den Pokalen 
gibt es viele große und schwere, daß nur ein handfester Mann, wenn sie 
gefüllt sind, sie behaglich mit einer Hand halten mag. Statt der kristallenen 
kostbaren Gesäße der Italiener hat man silberne und vergoldete für mancher¬ 
lei Gebrauch, aber sie kommen nur an festlichen Tagen zum Vorschein. 
An solchen Tagen wird alles Silbergeschirr an dem auffallendsten Ort des 
Zimmers symmetrisch ausgestellt, einem ausgerüsteten Altar nicht unähnlich. 
Alles^mnß glänzen. Zum Gebrauch der Gäste stehen schon Becher, Kannen 
und Schüsseln auf der Tafel, aber doch ist es so eingerichtet, daß anch etliche 
von den znr Schau gestellten Geschirren auf den Tisch gebracht werden zum 
Zeichen, daß de» Besuchern alles zu Diensten steht; es wird aber so eingerichtet, 
daß die Symmetrie darunter nicht leidet. Auch die Bibel, in Sammet ge¬ 
bunden, schwer mit silbernen und anch vergoldeten Schlössern, Platten und 
Figuren geziert, habe ich in mehreren reichen Häusern wie ein anderes Prunk¬ 
gerät ausgestellt gesehen. Die Gesäße, auf die man am meisten Kunst und 
Pracht verwendet, sind die Eß- und Trinkgeschirre, deren sich die reichen Frauen 
in den Wochen für sich bedienen, oder in denen dem neugeborenen Kinde seine 
Bedürfnisse gereicht werden; sie sind immer von stark vergoldetem Silber und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.