— 330 —
9. Am meisten aber hierbei wie im ganzen ist von der Erziehung und
dem Unterricht der Jugend zu erwarten. Wird durch eine auf die innere
Natur des Menschen gegründete Methode jede Geisteskraft von innen heraus
entwickelt und jedes edle Lebensprinzip angereizt und genährt, alle ein¬
seitige Bildung vermieden, und werden die bisher oft mit seichter Gleich¬
gültigkeit vernachlässigten Triebe, auf denen die Kraft nnd Würde des
Menschen beruht,
Liebe zu Gott, König und Vaterland,
sorgfältig gepflegt, so können wir hoffen, ein physisch und moralisch kräftiges
Geschlecht aufwachsen und eine bessere Zukunft sich eröffnen zu sehen . .
Königsberg, den 24. November 1808. Stein.
-UL4. Deutsche Schmach.
91. Eylert. Charakterzüge aus dem Leben Friedrich Wilhelms HL Magdeburg 1845
Journal des Distrikts von Osnabrück 1811 S. 1310 ff.
Neben den erhebenden Taten und Worten patriotischer Männer fehlte es aber auch
nicht an beschämenden Beweisen vaterlandsloser Gesinnung.
Überreichte doch, so erzählt Eylert, eine namhafte deutsche Universität nach
der Schlacht bei Jena uud Auerstädt Napoleon eine Himmelskarte, auf der
sein Name als Stern erster Größe glänzte! Auf meiner Reise von Hamm
nach Potsdam besuchte ich den Abt D. H. in Helmstädt. Er war als ge¬
lehrter Theologe hoch geachtet und hatte kurz zuvor am Geburtstage Napoleons
eine Lobrede dem Manne gehalten. Er stellte ihn als den Mann dar, den
die göttliche Vorsehung erweckt habe, in das abgestorbene Europa neues Leben
zu bringen. Diese Rede hatte er dem Kaiser nach Warschau geschickt, und
in überströmender Freude teilte er mir die schmeichelhafte kaiserliche Antwort
mit, daß die Rede nach allen Richtungen hin an die Polen verteilt sei.
H. küßte das kaiserliche Schreiben und pries es als das Köstlichste, was er
besitze. Als er hörte, daß ich nach Potsdam gehe, rief er: „Nicht nach dem
Osten! Nach Westen! da ist das Licht einer neuen Schöpfung. Mit der
preußischen Monarchie ist es aus; der König wird Berlin nie wiedersehen."
In einem Jahre widmeten 60 französische und 90 deutsche Schriftsteller
Napoleon ihre Werke. In den Europäischen Annalen wurde vorgeschlagen,
aus den höchsten Alpen eine Bergwand zu glätten und den Namen „Napoleon"
darin weithin leuchtend anzubringen. Der Geburtstag des „Königs von Rom"
wurde auch in den damals zu Frankreich gehörenden deutschen Gebieten durch
Glockengeläute, Gottesdienst, öffentliche Speisung der Armen, Annahme von
Kindern, Aussteuerung bedürftiger Brautpaare, Illumination, Theater, Tanz
usw. gefeiert. Das „Jonrual des Distrikts vou Osnabrück" veröffentlichte
folgendes, von einem deutschen Friedensrichter in Papenburg verfaßtes Gedicht,
das bei der Feier gesungen wurde:
1. Heut' beten wir verlass'ne Waisen
Und arme Witwen froh zu Gott,
Er gibt uns Kleider, Trank und Speisen
Und lindert tröstend unsre Not
2. Die Wonne färbt die blassen Wangen,
In Freudentränen glänzt der Blick;