Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht in Seminaren (Teil 3)

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b. Brief Bismarcks an seine Gemahlin. 
BiSmarckbriefe. VI. Aufl. Bielefeld und Leipzig 1897. S. 349. 
Bendresse, 3. September 1870. 
Mein liebes Herz! Vorgestern vor Tagesgrauen verließ ich mein hiesiges 
Quartier, kehre heute zurück und habe in der Zwischenzeit die große Schlacht 
von Sedan am 1. erlebt, in der wir gegen 30000 Gefangene machten und 
den Rest der französischen Armee, Der wir seit Bar le Duc nachjagten, in die 
Festung warfen, wo sie sich mit betn Kaiser kriegsgefangen ergeben mußte. 
Gestern früh 5 Uhr, nachdem ich bis 1 Uhr früh mit Moltke unb ben fran¬ 
zösischen Generalen über bie abzuschließend Kapitulation üerhanbelt hatte, 
weckte mich ber General Reille, ben ich kenne, um mir zu sagen, baß Na¬ 
poleon mich zn sprechen wünschte. Ich ritt ungewaschen unb ungefrühstückt 
gegen Sedan, fand ben Kaiser im offenen Wagen mit brei Adjutanten unb 
drei zu Pferde baneben Haltenb. Ich saß ab, grüßte ihn ebenso höflich wie 
in ben Tnilerien unb fragte nach feinen Befehlen. Er wünschte ben König 
zu sehen; ich sagte ihm ber Wahrheit gemäß, baß Seine Majestät brei Meilen 
davon, an dem Orte, wo ich jetzt schreibe, sein Quartier habe. Auf Na¬ 
poleons Frage, wohin er sich begeben solle, bot ich ihm, da ich der Gegend 
unkundig, mein Quartier in Donchery au, einem kleinen Orte in der Äähe, 
dicht bei Sedan; er nahm es an und fuhr, von seinen sechs Franzosen, von 
mir und von Karl (dem Burschen), der mir inzwischen nachgeritten war, ge¬ 
leitet, durch den einsamen Morgen nach unsrer Seite zu. 
Vor dem Orte wurde es ihm leid wegen der möglichen Menschenmenge, 
und er fragte mich, ob -er in einem einsamen Arbeiterhaufe am Wege ab¬ 
steigen könne; ich ließ es besehen durch Karl, der meldete, es sei ärmlich und 
unrein. „N’importe,“ meinte Napoleon, und ich stieg mit ihm eine ge¬ 
brechliche enge Stiege hinaus. In einer Kammer von zehn Fuß Geviert, mit 
einem fichtenen Tische und zwei Binsenstühlen saßen wir eine Stunde, die 
andern waren unten. Ein gewaltiger Kontrast mit unserm letzten Beisammen¬ 
sein 1867 in den Tnilerien. Unsre Unterhaltung war schwierig, wenn ich 
nicht Dinge berühren wollte, die den von Gottes gewaltiger Hand Nieder¬ 
geworfenen schmerzlich berühren mußten. Ich hatte durch Karl Offiziere aus 
der Stadt holen und Moltke bitten lassen zu kommen. Wir schickten daun 
einen der erstem auf Rekognoszierung und entdeckten eine halbe Meile davon 
in Fresnois ein kleines Schloß mit Park. Dorthin geleitete ich ihn mit einer 
inzwischen herangeholten Eskorte vom Leibkürassierregimente, und dort schlossen 
wir mit dem französischen Obergeneral Wimpffen die Kapitulation, vermöge 
deren 40 bis 60000 Franzosen, genauer weiß ich es noch nicht, mit allem, 
was sie haben, unsre Gefangenen wurden. Der vor- und gestrige Tag 
soften Frankreich 100000 Mann und einen Kaiser. Heute früh ging letzterer 
mit all feinen Hofleuten, Pferden und Wagen nach Wilhelmshöhe bei Kassel ab. 
Es. ist ein weltgeschichtliches Ereignis, ein Sieg, für den wir Gott dem 
Herrn in Demut danken wollen, und der den Krieg entscheidet, wenn wir auch 
letztem gegen das kaiferlofe Frankreich fortführen müssen. 
Ich muß schließen. Mit herzlicher Freude ersah ich heute aus Deinem 
unb Marias Briefen Herberts Eintreffen bei Euch. Bill (Wilhelm) sprach ich 
gestern, wie schon telegraphiert, und umarmte ihn angesichts Seiner Majestät 
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