22 Das Mittelalter. Erste Periode, bis etwa 800.
Griechenland und Mazedonien. Das weströmische Reich fiel dem
elfjährigen Honorius zu; dazu gehörten Gallien, Spanien, Britannien,
Italien und das westliche Nordafrika. Jedem der jugendlichen Herrscher
wurde eine Stütze beigegeben: in Konstantinopel leitete der schlaue Gallier
Nurfrnus. in Rom der staatskluge Vandale (Stiltsftn das Reich. Im
Gegensatz zu seiner Herkunft fühlte dieser sich ganz als Römer, und er
wurde der Leiter der römischen Politik.
b. Angriffe der Westgoten; Alarich. Während Theodosius seine
Politik auf das Einvernehmen mit den Westgoten gegründet hatte, schlossen
sich diese nach der Teilung des Reiches gegen die Römer fest zusammen;
statt einer Mehrzahl von Fürsten folgten sie jetzt dem jungen König
Alarich aus dem.Hause der Ballen. Er hatte die Schule des römischen
Heeres durchgemacht und ist der erste Germane, der sich eine germanische
Reichsgründung auf römischem Boden zum Ziele setzte. Dies wurde ihm
durch die zwischen Ost- und Westrom herrschende Spannung erleichtert.
Alarich wandte sich zunächst gegen Ostrom. Plündernd durchzog er die
ganze Halbinsel fast ohne Widerstand; denn die römischen Führer scheuten
die Feldschlacht, die Goten aber vermieden den Angriff fester Plätze, weil
sie im Belagerungskriege unerfahren waren. Endlich brachte Stilich o
Hilfe, der auf die Wiedervereinigung der Römerreiche bedacht war. Er
erschien bei Korinth, schnitt den Goten die Zufuhr ab und schloß sie ein.
Doch gestatteten ihnen die Römer freien Abzug und übertrugen Alarich die
Statthalterschaft über den oströmischen Teil der Provinz Jllyrien- Wohl
mochte Rufinus denken, der Ungestüm der Germanen sollesich^on hier
gegen Westrom wenden; wenigstens drang Alarich schon 401 in Italien
ein und verwüstete die ganze Poebene. Zwar wies ihn der tapfere Stilicho
in zwei Schlachten zurück, mußte ihm dann aber auch das weströmische
Jllyrien überlassen, wo nun der Gotenkönig unter angeblicher Oberhoheit
beider Römerreiche seinen Sitz hatte.
Unterdessen wogten auch im Innern Germaniens die Völker durch¬
einander. Auch schon damals drängten die Slawen östlich von der Elbe
die germanischen Völker westwärts, und Scharen von Ostgoten, ver¬
einigt mit Angehörigen verschiedener Völker, brachen, mehrere Hundert¬
tausende stark, unter Führung des Radaq ais in Italien ein. Noch ein¬
mal gelang es Stilicho, die Hauptstadt zu retten, indem er den Eindringling
bei Fäsülä unweit Florenz üftmnoiih. 1405). Aber er konnte das nötige
Kriegsvolk nur dadurch gewinnen, daß er die römischen Legionen aus
Britannien und vom Rhein abrief. Damit war das alte feste Bollwerk
preisgegeben, das jahrhundertelang die rechtsrheinischen Germanen be¬
droht hatte. Alsbald wälzte sich die Woge germanischer Völker über den
Rhein. Die Burgunder besetzten den Ober- und Mittellauf; Vandalen,
Sueveu und Alanen zogen nach Gallien, das sie drei Jahre lang plün-