Der Preußische Staat. 517
Landrat vertritt wie der Oberpräsident und die Königliche Regierung in seinem Kreise
fast sämtliche staatliche Interessen; er hat auch die Polizeiverwaltung, daher sind ihm
die Gendarmen und die Polizei der kleinen Städte unterstellt. Für die Verwaltung der
Kreisangelegenheiten stehen ihm der Kreistag und der Kreisausschuß zur tzveite,
deren Vorsitzender er ist. Der Kreistag besteht je nach der Zahl der Kreiseinwohner
aus 20 oder mehr Mitgliedern, die von den Einwohnern auf sechs Jahre gewählt
werden. Der Landrat beruft den Kreistag jährlich mindestens einmal; dieser berät
und beschließt über Einnahmen und Ausgaben des Kreises, über Verteilung staatlicher
Zuwendungen, Anlage und Verbesserung von Wegen, Erlaß von Polizeivorschriften,
über Einrichtung von Fortbildungsschulen, Kreissparkassen u. a. Zu ständigen Ver¬
tretern des Landrats wählt der Kreistag zwei Kreisdeputierte auf sechs Jahre; in
manchen Fällen kann ihn auch der Kreissekretär vertreten, welcher der Schreibstube
des Landrats vorsteht. Der Landrat und sechs von der Kreisversammlung zu wäh¬
lende Mitglieder bilden den Kreisausschuß. Dieser hat die Beschlüsse des Kreis¬
tages vorzubereiten und auszuführen, das Vermögen des Kreises zu verwalten, die
Kreisbeamten (z. B. der Kreissparkasse, nicht die königlichen) zu ernennen und zu
beaufsichtigen und bei Verwaltungsstreitigkeiten des Kreises zu entscheiden. Neben
dem Landrat stehen als Königliche Kreisbeamte der Kreisarzt, -Tierarzt, -Bau- und
-Schulinspektor. Die Kreise sind berechtigt, Kreissteuern zu erheben.
Eine hiervon abweichende Einteilung und Verwaltung haben die Bezirke der Rhein¬
provinz und Posen. In anderen Provinzen (Westfalen, Brandenburg, Ost- und West¬
preußen) zerfallen die Kreise wieder in Amtsbezirke, deren jeden ein vom Oberpräsidenten
ernannter Amtsvorsteher, von einem Amtsausschuß unterstützt, verwaltet.
Städte von mindestens 25000 (in besonderen Fällen auch weniger), in der Rhein¬
provinz von mindestens 40000 Einwohnern werden auf ihren Antrag aus dem
Landkreise ausgeschieden und bilden einen besonderen Stadtkreis. Die im Land¬
kreise vom Landrat, Kreistag und. Kreisausschuß versehenen Geschäfte werden im
Stadtkreise von dem (Ober-) Bürgermeister, den städtischen Behörden und dem Stadt¬
ausschuß wahrgenommen.
Die Aufsicht über die Kreisverwaltung steht dem Regierungspräsidenten und in
höherer Instanz dem Oberprästdenten zu.
§ 21. Die Gemeinde.
Der Kreis (Amtsbezirk) besteht aus Stadtgemeinden, Landgemeinden
und selbständigen Gutsbezirken (im Osten); alle drei verwalten ihre Angelegen¬
heiten selbständig unter Aussicht des Staates.
1. Die Stadtgemeinde umfaßt alle Einwohner des Stadtbezirkes; wer
preußischer Untertan, selbständig und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist, ein
bestimmtes Einkommen bezieht und seit einem Jahre in der Stadt wohnt, ist Bürger
derselben. Zur Verwaltung der städtischen Angelegenheiten wählen die Bürger
Stadtverordnete (Bürgervorsteher) meistens auf je sechs Jahre, die unter einem
von ihnen erwählten Vorsitzenden über städtische Angelegenheiten beraten und be¬
schließen ; sie überwachen als Vertreter der Bürgerschaft die ganze städtische Verwal¬
tung, stellen den städtischen Haushalt und die zu erhebende Kommunalsteuer fest, die
als Zuschlag zur Einkommensteuer, als Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Betriebs¬
steuer, als Hunde-, Lustbarkeits- u. a. Steuer erhoben wird.
Die eigentliche städtische Verwaltungsbehörde ist der Magistrat. Er besteht aus
dem (Ober^Bürgermeister, dem Syndikus (Beigeordneten) und den Senatoren
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