Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten (Teil 1)

290 Alexander der Große: Jugend und Regierungsantritt. 
das Lieblingsbuch Alexanders waren die Gesänge Homers, die er fast 
auswendig wußte; eine Abschrift derselben trug er stets bei sich und legte 
sie nachts unter sein Kopfkissen. Achilles hatte er sich zum Vorbilde erwählt. 
Wie jener war auch er in allen ritterlichen Künsten Meister. Einst wurde 
seinem Vater ein prächtiges, aber sehr wildes Roß, Bucephalus genannt, 
für einen ungeheuren Preis angeboten. Die besten Reiter versuchten es 
zu besteigen, aber keinen ließ es aufsitzen. Da befahl Philipp dem Eigen- 
türner, das unbrauchbare Tier fortzuführen. „Schade um das prächtige 
Pferd!" rief Alexander, „Vater, laß es mich noch einmal versuchen." 
Der König erlaubte es. Rasch ergriff Alexander das Pferd beim Zügel 
und führte es gegen die Sonne, da er bemerkt hatte, daß sich das Tier 
vor seinem Schatten fürchtete. Dann streichelte er es, und es gelang ihm, 
sich mit einem raschen Sprunge auf das wilde Roß zu schwingen. Blitzschnell 
flog das Tier mit der ungewohnten Last davon, und Philipp und alle 
Umstehenden zitterten für das Leben des verwegenen Reiters. Als sie ihn 
aber bald umkehren sahen und bemerkten, wie er das Roß nach Belieben 
tummelte, hierhin und dorthin lenkte, da erstaunten alle, und der glückliche 
Vater vergoß Freudentränen. Er schenkte seinem Sohne das edle Roß, 
und Bucephalus hat seinen Herrn nach Afrika und Asien bis nach Indien 
getragen. Schon früh zeigte sich bei dem Jüngling ein lebhafter Ehrgeiz. 
Wenn die Nachricht von einem neuen Siege seines Vaters einlief, rief 
der Jüngling aus: „Ach, mein Vater wird noch die ganze Welt erobern 
und mir nichts mehr übrig lassen." Der Sieg bei Ehäronea war haupt¬ 
sächlich das Verdienst des erst achtzehnjährigen Alexander. Nach der 
Schlacht umarmte ihn sein Vater mit den Worten: „Mein Sohn, suche 
dir ein anderes Königreich, Macedonien ist für dich zu klein!" 
336 Im Alter von zwanzig Jahren ward Alexander König. Die von 
^ feinem Vater unterjochten Völker glaubten, sich von der Gewalt des 
jugendlichen Herrschers leicht befreien zu können; aber Alexander machte 
alle diese Hoffnungen zu nichte. Mehrere Verwandte, deren Ansprüche 
aus den Thron er fürchtete, ließ er töten; dann eilte er nach Korinth, 
wo ihn die Griechen, wenn auch nur widerwillig, an Stelle feines Vaters 
zum Oberanführer wählten. Dort lebte damals ein Sonderling mit Namen 
Diogenes. Wie Alexander alles, so wollte Diogenes nichts besitzen; 
er wohnte in einer Tonne und warf sogar sein Trinkgeschirr entzwei, als 
er einen Knaben aus der Hand trinken sah. Alexander ging zu ihm, 
unterredete sich mit ihm und fand feine Antworten sehr verständig. Zuletzt 
fragte er ihn: „Kann ich dir eine Gunst erweisen?" — „O ja," versetzte 
Diogenes, „geh mir ein wenig aus der Sonne!" Hierüber lachten die 
Begleiter Alexanders; dieser aber wandte sich um und sagte: „ Wäre ich 
nicht Alexander, so möchte ich Diogenes sein." — Kaum war Alexander 
nach dem Norden gezogen, um die unruhigen Thracier und Jllyrier zu 
züchtigen, so begann unter den Griechen eine lebhafte Gärung. Die Athener
	        
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