94 Friedrich Wilhelm III. 
früher besoldete Beamte auch das Kleinste angeordnet hatten. Das neue 
Gesetz erweckte in der That bald Sinn für das Gemeinwohl und Gefühl 
für Selbständigkeit und Ehre. Stein hatte auch schon den Gedanken einer 
-UlfatiLAir,; allein dafür war die Zeit noch nicht gekommen. 
c. WehrWtmachnug und sittliche Hebung des Volkes. Stein fand 
bei-seinen Bestrebungen die kräftigste Unterstützung an Gerhard David 
Scharnhorst, der das Heerwesen umgestaltete. Geboren zu Bordenau 
bei Hannover, hatte er sich vom einfachen Bauernsohn zum preußischen 
KriegsMmster durchgearbeitet. Am Geburtstage des Königs (3. August) 
1808 erschienen die von ihm ausgearbeiteten Verordnungen für die 
neue Heeresordnung. Wehrhastmachung des ganzen 
Volkes war der Grundgedanke desselben. Keine Söldner; alle dienst- 
fähigen Söhne von 18—25 Iahren sind zur Verteidigung des Vater- 
landes verpflichtet; alle"haben gleiche Rechte und Pflichten; die Besörde- 
rung geschieht mur nach Verdienst, jeder kann zu den höchsten Befehls- 
haberstellen gelingen. Alle entehrenden Strafen, wie Schläge, Gassen- 
laufen, sind abgeschafft. Um die gefährliche Bestimmung des Tilsiter 
Friedens zu umgehen, wonach Preußen zur Zeit nur 42 000 Mann 
halten durfte, ließ man diese Zahl von Rekruten eintreten, exercierte sie 
rasch ein, entließ sie und zog andere für sie ein. So hatte man inner- 
halb dreier Jahre 150 000 Mann geübter Truppen. In aller Stille 
wurden für diese die nötigen Waffen beschafft, ebenso die Festungen und 
die Artillerie angemessen wieder hergestellt. 
Den Volksgeist zu heben und den Haß gegen den Unterdrücker 
zu wecken und zu nähren, dahin wirkten damals mehrere begeisterte 
Männer. Der Professor Fichte hielt im Winter von 1807 auf 1808 
vor einer zahlreichen und auserlesenen Zuhörerschaft und unter den Augen 
ber französischen Machthaber seine „Reden an die deutsche Nation." 
Mit kühnem Freimut schilberte er, währenb braußen bie französischen 
Trommeln wirbelten unb brinnen französische Aufpasser spähten, bie 
fremben Gewalthaber unb bie Schanbe ber Gegenwart, aber auch bie 
hohen Vorzüge des beutschen Wesens. „Allein wir selber müssen uns 
helfen," sagte er, „wenn trns geholfen werben soll." Als einziges Mittel 
nannte er eine bessere Erziehung unb wies auf ben großen Erzieher 
Pestalozzi in ber Schweiz hin, zu bein bamals preußische Lehrer unb 
Staatsmänner wanberten. Für bas Wiebererwachen bes Glaubens, 
besonbers unter ben Gebilbeten, wirkte ber Gottesgelehrte Schleier- 
m et ch e r. Ernst Moritz Arndt eiferte gegen alles 'Undeutsche, Welsche 
und erfüllte durch Gedichte und seinen „Geist der Zeit" die Gemüter 
mit grimmigem Hasse gegen die fremden Bedränger. Der Turnvater 
Jahn suchte die Jugend durch Leibesübung wehrhaft zu machen. 
6. Steins Abgang; Hardenberg. Stein wurde seinem segensreichen 
Wirkungskreise leider zu früh entrissen. Ein Brief, in dem er geäußert, 
man müsse den Geist der Unzufriedenheit auch in Westfalen unterhalten 
und Preußen zu einer gemeinsamen Erhebung intlMfitfr mit Ostreich 
bewegen, wurde von den französischen Behörden aufgefangen (Steins 
einheimische Feinde hatten ihn verraten). Stein sah sich genötigt, seine
	        
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