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der Magna Charta; er war für England das, was Ludwig XI. 
für Frankreich. Gleich diesem suchte er die Macht des Adels zu 
schwachen, gab mehrere gute Gesetze zur Beförderung der bürger¬ 
lichen Ordnung und sorgte für das Aufkommen der Gewerbe und 
des Handels; aber immer hatte an seinem Verfahren doch sein 
Geiz den meisten Antheil. Dieser war seine herrschende Leiden¬ 
schaft und nahm mit den Jahren stets mehr zu. Alte, zum Theil 
langst vergessene Gesetze, auf deren Uebcrtrctung Geldstrafen stan¬ 
den, wurden mit der größten Strenge gehandhabt. Ein Heer 
von Kundschaftern war im ganzen Reiche vcrtheilt, solchen Fäl¬ 
len nachzuforschcn, und diese Späher klagten Schuldige und Unschul¬ 
dige an; ja, selbst seine Kriege mußten ihm zur Begründung neuer 
Steuer-Edicte dienen. So drückte er das Volk mit Auflagen 
und sammelte auf dessen Unkosten einen Ungeheuern Schatz, welcher 
zu Richmond, der derzeitigen königl. Residenz, aufgehäuft wurde. 
Nur der König bewahrte den Schlüssel dazu und trug ihn bestän¬ 
dig bei sich. Sein höchster Genuß war, dort allein zu verweilen 
und sich stundenlang in diesem einsamen Gewölbe an dem Anblicke 
seines Schatzes zu weiden. Auf seinem Todbette gedachte er mit 
Schrecken der vielen Erpressungen, die auf seinen Befehl geübt 
worden waren, und befahl in seinem letzten Willen, alle diejeni¬ 
gen zu entschädigen, denen er Unrecht gethan. 
Heinrich Vlll., bei seinem Regierungsantritte ein Jüng¬ 
ling von siebzehn Jahren, war von einer ganz entgegengesetzten 
Sinnesart, als fein Vater. Mit einem vollkräftigen Körper ver¬ 
band er ein bis zur Wildheit leidenschaftliches Gemüth, einen 
unbeugsamen Starrsinn, der durchaus keinen Widerspruch ertra¬ 
gen konnte, wozu noch eine hohe Einbildung von seiner eigenen 
Einsicht und Gelehrsamkeit kam. In der letzteren war von ihm 
in der That etwas gethan; denn sein Vater, der seine Aufmerk¬ 
samkeit von Staatsgeschäften ablenken wollte, hatte ihm eine 
wissenschaftliche Erziehung geben lassen. „Es ist ein unruhiger 
Kopf — sagte er öfters zu deS Prinzen Hofmeister — laßt ihn 
brav lernen, damit er zu thun habe und nicht auf unnütze Dinge 
verfalle." Diese Ermahnung blieb nicht ohne guten Erfolg. Der 
Prinz konnte für den gelehrtesten Fürsten seiner Zeit gelten; die 
frohen Hoffnungen aber, welche die Nation auf die glänzen¬ 
den Talente des jungen Herrschers gründete, gingen jedoch 
nicht in Erfüllung; denn bei den mannigfaltigen Kenntniffen,
	        
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