§ 27. Die Zustände im Zeitalter der Staufer. 95
das Herrenhaus (Palas), das den großen Saal und verschiedene kleine
Gelasse enthielt. Im Palas selbst oder nebenangebaut war die wegen ihrer
Heizvorrichtung Kemenate (caminata) benannte Frauenwohnung, die in
das Zimmer der Hausfrau, die Schlafräume der Mägde und das Arbeits-
zimmer, wo die Herrin mit dem weiblichen Ingesinde nähte und spann, zerfiel.
Die Blütezeit des Rittertums fällt in die Zeit von 1150—1250. Ritterliche
Das war ein volles Jahrhundert heiteren Lebensgenusses und größter SuItur-
Daseinsfreude der oberen Stände, wie sie einst die Hellenen beseelt hatte.
Über die Kurzweil und die Feier von hohgeziten hinausgehend, schufen
die Ritter als Vertreter des damals herrschenden Standes eine demselben
angepaßte Kultur, deren schönstes Erzeugnis die mittelalterliche Dichtkunst ist.
Aber mit der Herrlichkeit des Reiches zerfiel auch das Rittertum. Verfall.
Seine Ideale verblaßten, der Minnedienst artete oft genug in Narrheit aus,
seine Zucht, seine Dichtung starben hin. Dazu kam, daß der Ertrag der meist
durch Pächter betriebenen Wirtschaft den Ansprüchen, die das Leben und vor
allem das höfische Leben stellten, nicht genügte, zumal bei jeglichem Fortschreiten
der Geldwirtschaft sich die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse nicht
in gleicher Weise wie die der Gewerbe heben. Die Geldwirtschaft war es,
welche den Schwerpunkt der Kultur in die Städte verlegte. So verkamen
unzählige Ritter; aus edelen ritern wurden Raubritter. Schließlich wurde
das Rittertum auch auf dem Gebiete des Kriegswesens, durch das Aufkommen
der Schußwaffen und der zu Fuß kämpfenden Heere, bei Seite geschoben.
5. Staatsverwaltung, a. Der König. Das „Königsamt" war zur
Zeit der Karolinger erblich gewesen. Nach ihrem Aussterben wurde es
durch eine Wahl übertragen, doch kürte man fast immer bis auf Heinrich IV.
„nach dem Blute". Der derzeitige Inhaber der Königsgewalt "wußte den
Übergang derselben auf den Sohn dadurch zu sichern, daß er ihm schon bei
seinen, des Vaters, Lebzeiten die Wahl verschaffte. Der deutsche König
war an sich zugleich König von Italien und Burgund. Er allein unter
allen Fürsten der Christenheit hatte das Recht und die Pflicht, die Kaiser¬
krone zu erwerben. Nachdem erst zwei Gegenkönige aufgestellt waren, wurde
die Wahl immer mehr betont. Das Recht, den König zu küren, stand
anfänglich allen Freien zu. Nach und nach entwickelte sich ein Vorschlags-
recht der Reichsfürsten, während der Zuruf durch das Volk unterblieb.
Seit dem 13. Jahrhundert genoffen 6 — 7 Fürsten, das Vorrecht, ihre
Stimme zuerst abzugeben. Im Jahre 1257, von wo an die Wahl regel-
mäßig zu Frankfurt a. M. vorgenommen wurde, hatten dieselben bereits ein
ausschlaggebendes Wahlrecht. Von 1273 an verwandelte es sich in ein
ausschließliches. Die sieben Kurfürsten waren die drei rheinischen Erz- Kurfürsten,
bischöse, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf
von Brandenburg und der König von Böhmen (oder der Herzog von Bayern).
h. Die Fürsten und die Fürstentümer. Wer im Namen des Königs Fürsten.
Grafschaftsrechte ausübte, wurde als Fürst bezeichnet So die Herzöge, die
Grafen, die Erzbischöfe, Bischöfe und Inhaber reichsunmittelbarer Abteien.
Durch Befestigung ihrer Stellung in einem bestimmten Landesteil und
Mehrung ihrer Vorrechte erlangten im 12. Jahrhundert einige derselben