96 Die Griechen.
groß, daß unter ihnen sogar eine Meuterei ausbrach und Alexander
10000 derselben in die Heimat entlassen mußte. Auch Handel und Verkehr
wurden ein erfolgreiches Mittel, die Völker des Ostens und Westens mit-
einander zu verknüpfen; unermeßliche Handelswege, eine Sprache, eine
Münze, bequeme Märkte und zahlreiche Stationen erleichterten die Ver-
Bindungen. Auf Festen und Spielen, welche der König in allen Gegenden
des Reiches veranstaltete, fanden sich die Völker zu gemeinsamer Fröhlichkeit
zusammen. Namentlich von den Städten aus — Alexander gründete
etwa 70, die meisten hießen Alexandria — verbreitete sich die neue Bildung
und Ordnung über die Länder.
Mitten in seinem rastlosen Schaffen wurde Alexander durch einen
plötzlichen Tod hinweggerafft. Durch die Anstrengungen seiner Kriegs-
Züge, noch mehr durch die wüste Schwelgerei, der er in den letzten Jahren
seines Lebens verfiel, wurde seine Gesundheit zerstört. Im Frühling des
Jahres 323 kehrte er unter dem Jubel der Bevölkerung nach Babylon
Zurück; Gesandte aus allen Teilen des Reichs, sogar aus dem fernen
Westen, erschienen, um ihn zu beglückwünschen. Als letztes Ziel hatte er
sich die Eroberung Arabiens gesetzt, das die Kulturländer des Nils von
denen des Euphrats trennte; an der Ostküste dieser Halbinsel und auf den
dortigen Inseln sollte ein zweites Phömzien erstehen. Schon war Nearch
in Babylon zur Abfahrt bereit; ihm zu Ehren wurde noch ein großes
Abschiedsmahl gehalten, an welchem auch Alexander teilnahm. Dort traf
ihn der Schlag; er brach zusammen, als er eben den Becher zum Munde
führen wollte. Bald danach starb er in seinem 33. Jahre.
Die Nachricht von Alexanders Tode rief in Asien und Europa ungeheure Auf-
regung hervor; denn seinesgleichen hatte die Welt bis dahin nicht gesehen. In elf
Jahren hatte der Gewaltige ein Weltreich errichtet, welches 200000 Quadratmeilen
mit 100 Millionen Einwohnern umfaßte. Und in diesem ungeheuren Gebiete durch-
drang er alles mit der Kraft seines Willens; er entschied alles Wesentliche selbst und
übersah das Große und das Kleine; die Überlegenheit seines Wissens, seine kriege-
rische Tapferkeit, seine männliche Schönheit riefen Bewunderung hervor, sein leut-
seliges Wesen gewann ihm die Herzen der Menschen. Zwar hat er das Ziel, das
er sich gesteckt: die Überbrückung der Kluft zwischen den morgen- und abendländischen
Völkern, nicht erreicht; aber dadurch, daß es ihm gelang, der überlegenen griechischen
Bildung die ersten Wege in Asien hinein zu erschließen, wurde er der Schöpfer des
hellenistischen Zeitalters, in welchem die griechische Sprache die Sprache aller
Gebildeten wurde, daher die schroffe Abschließung der Völker gegeneinander und der
Gegensatz zwischen Griechen und Barbaren zu schwinden begann. Dadurch waren
die Wege bereitet, auf denen einst allen diesen Menschen die gleiche Botschaft ihrer
Erlösung gebracht werden konnte. Darum hat ihn die Geschichte den Großen ge-
nannt, und wie sehr die Nachwelt seine Wirksamkeit würdigte, zeigt der reiche Kranz
von Sagen, deren Mittelpunkt er war, und deren Inhalt noch die deutschen Sänger
zur Zeit der Kreuzzüge beschäftigte.