Full text: Geschichte des Altertums (Teil 1)

20 Morgenländische Völker. 
einen großen Palast, der 1500 Zimmer unter und 1500 über der Erde 
enthalten haben soll. Bildhauerei und Malerei der Ägypter wurdeu 
nur im Dienste der Baukunst, nicht als selbständige Kunst gepflegt. In 
der Bearbeitung auch des härtesten Gesteins waren ihre Bildhauer Meister. 
Fast alle Wände, Säulen, Figuren und Inschriften sind mit Farben be- 
deckt, die noch heute ihre ursprüngliche Frische zu haben scheinen; doch 
kennt ihre Malerei weder die Perspektive, noch den Wechsel von Licht 
und Schatten. 
Fast sämtliche Denkmäler der Ägypter, besonders die Wände der 
Gräber und Tempel, die Obelisken und Särge, waren mit Hiero- 
glyphen bedeckt. (H. Fig. 4.) Diese Schrift war ursprünglich eine Bilder- 
schrist; nicht nur sichtbare Dinge, sondern selbst Thätigkeiten und Zu- 
stände suchte man durch Bilder darzustellen, die bei häufiger Wieder- 
holung manche Vereinfachung erfuhren. Das Wasser stellte man durch 
ein paar Wellenlinien dar, das Haus durch ein Viereck, das Geben durch 
einen ausgestreckten Arm mit einem Brote, den Durst durch ein zum 
Wasser eilendes Kalb, die Macht durch eine geschwungene Geißel, die 
Gerechtigkeit durch die Elle. Neben diesen Begriffszeichen enthält die 
Hieroglyphenschrift auch noch Lautzeichen, die entweder einen Buchstaben 
oder eine Silbe bedeuten. Die Entdeckung des Lautes als des einfachsten 
Bestandteiles der menschlichen Rede ist Eigentum der Ägypter. Die 
Hieroglyphenschrift enthält 2000 Zeichen, und die meisten derselben sind 
noch vieldeutig; das Bild des Adlers bedeutet entweder „Adler" oder 
den Anfangsbuchstaben dieses Wortes; das Bild eines knieenden Menschen 
kann „Person", „Mensch", „ich", „mein" gelesen werden. Um nun Mi߬ 
verständnisse zu verhüten, setzte man hinter das mit Lautzeichen ge- 
schriebene Wort ein Begriffszeichen. Das Bild des Elefanten z. B. 
deutet an, daß der Elefant selber oder doch ein Tier gemeint ist. 
Durch Anwendung dieser Bilder gewann die Schrift, die auch die Auf- 
gäbe hatte, die Wände und Säulen zu schmücken, zugleich eine größere 
Lebhaftigkeit. Die Hieroglyphen wurden gewöhnlich von rechts nach 
links, manchmal auch in senkrechten Zeilen von oben nach unten, oder 
von links nach rechts, ja sogar, wenn es das Ebenmaß erforderte, zur 
Hälfte von rechts nach links, zur anderen Hälfte von links nach rechts 
geschrieben. 
Die Hieroglyphen wurden fast nur zur Verzierung der Bauwerke angewandt: 
zum Schreiben auf Papyrus bediente man sich gewöhnlich der aus den hieroglyphi- 
scheu Zeichen abgekürzten sogenannten hieratischen Schrift. Aus dieser hat sich dann 
später die noch mehr vereinfachte demotische oder volkstümliche Schrift entwickelt. Aus 
der hieratischen Schrift ist die phöniziscke entstanden, die Mutter der hebräischen und 
griechischen (lateinischen, deutschen). Die Hieroglyphenschrist war jahrtausendelang 
der Nachwelt unlesbar. Da fand 1799 ein französischer Offizier be: Rosette eme 
Tafel mit griechischer, hieroglyphischer und demotischer Schrift, später wurde noch ein
	        
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