26 Morgenländische Völker.
gehen alle in der Natur wirkenden Kräfte von Dämonen aus, die in
Bäumen, Steinen und Quellen ihre Wohnungen haben; diese wurden
deshalb verehrt, und wo natürliche Bäume fehlten, wurden besondere
Säulen (Äscheren) errichtet. Gewöhnlich trugen diese Dämonen keinen
besonderen Namen, sondern hießen einfach Baal, d. i. Herr, und Baalat.
d. i. Herrin, des betreffenden Ortes. Als höchste Gottheit wurde Baal,
der Gott der Schöpfung und des Lichtes, verehrt, der sich vor allem in
der Sonne offenbarte, während seine Gemahlin, Baalat, als Göttin des
Naturlebens, des Werdens und Vergehens, der freudigen Lust und des
wilden Schmerzes galt. Baal Moloch versinnbildlichte die tötende
Sonnenglut, Baal Melkart galt, namentlich in Tyrus, als Beschützer
der Städte, des Handels und der Kolonien. Auch fremde Gottheiten
wurden eingeführt. Die Jstar (Astarte) der Babylonier verschmolz mit
Baalat; sie galt bald als strenge, jungfräuliche Kriegsgöttin, bald als
Göttin der sinnlichen Liebe, und ihr Gottesdienst war oft mit unsittlichen
Gebräuchen verknüpft. Da Baal das Naturlebm sowohl erwecken als
auch vernichten konnte, so diente man ihm durch Freudenfeste voll aus¬
gelassener Sinnlichkeit, aber auch durch blutige Opfer. Durch rauschende
Musik und ausgelassene Tänze steigerten die Priester bei den Festen die
religiöse Begeisterung oft so sehr, daß ganze Scharen von Jünglingen sich
zu Ehren der Aftarte verstümmelten oder Mutig geißelten. Auch das Be¬
streichen der Thüren mit Blut, sowie die von Ägypten eingeführte Be-
schneidung sind als blutige Opfer zu betrachten. In Zeiten der Not
suchte man den Zorn des launischen Baal durch Opfer von Hunderten
unschuldiger Kinder zu beschwichtigen.
§ 11. Geschichte der Phönizier.
Seit alten Zeiten bestanden in Phönizien mehrere kleine selbständige
Gemeinwesen unter erblichen Königen, so in Sidon, Tyrus, Byblus,
Berytus, Arnims, von denen bald das eine, bald das andere eine Art
Vorherrschaft behauptete, die aber ihre Unabhängigkeit den großen Reichen
am Euphrat und Nil gegenüber nicht zu verteidigen vermochten. Vom
17.—14. Jahrhundert waren die Phönizier fast beständig den Ägyptern
tributpflichtig; dafür entschädigte sie indes reichlich der Handelsvorteil,
welchen der lebhafte Verkehr mit Ägypten ihnen darbot. Um 1500 v. Chr.
erlangte Sidon die Vorherrschaft; um 1200 aber ging dieselbe auf Tyrus
über, weil, wie es heißt, die vornehmsten Familien ans dem von den
Philistern zerstörten Sidon dorthin übersiedelten. Ums Jahr 1000 bestieg
Hiram den Thron von Tyrus. Er lieferte David und Salomo Cedern-
holz und behaltene Steine zu ihren Palast- und Tempelbauten, wofür
er Weizen und Öl erhielt und den phänischen Kaufleuten ganz Palästina