Full text: Geschichte der Neuzeit seit 1648 (Teil 3)

88 Zweite Periode. 
denke, das Interesse des Landes wird auch mein eigenes sein; sollten beide 
miteinander in Widerspruch geraten, so soll das Wohl des Landes stets 
den Vorzug haben." Da ein harter Winter Not und Hunger im Gefolge 
hatte, ließ Friedrich das von seinem Vater gesammelte Getreide zu 
billigem Preise an die Armen abgeben. Die Folter wurde abgeschafft, 
die Unabhängigkeit der Richter anerkannt, und die Presse erhielt größere 
Freiheit als bisher. Den wegen seines Freisinns von Friedrich Wilhelm I. 
aus Halle vertriebenen Professor Wolf rief Friedrich zurück, und dem 
Konsistorium, das wegen des Fortbestehens katholischer Soldatenschulen 
Bedenken geäußert hatte, erwiderte er: „Die Religionen müssen alle 
tolerieret werden, und muß der Fiscal nur das Auge daraus haben, daß 
keine der anderen Abbruch thue; denn hier muß jeder nach seiner Fayon 
selig werden." Die Riesengarde hob Friedrich auf, verteilte die langen 
Kerle auf die anderen Regimenter und vermehrte dafür das Heer bald 
um 20000 Mann. Art der von seinem Vater eingerichteten Staats- 
Verwaltung änderte er nichts, und wenn er bei seiner Hofhaltung auch 
eine größere Pracht entfaltete und die Akademie reichlicher unterstützte 
als sein Vater, so war er doch nicht weniger sparsam als dieser. 
1). Erster schlesischer Krieg. Friedrich lag an einem hitzigen Fieber 
danieder, als die wichtige Kunde eintraf, daß Kaiser Karl VI. (1740) 
gestorben sei. Diese Nachricht machte ihn gesund. „Ich habe dem Fieber 
den Laufpaß gegeben," schrieb er, „denn ich habe meine Maschine nötig." 
Er war sofort entschlossen, die sich voraussichtlich bietende günstige Ge- 
legenheit auszunutzen, um die alten Ansprüche seines Hauses an Schlesien 
(S. 62) geltend zu machen; deshalb erklärte er Maria Theresia, er wolle 
die von seinem Vater anerkannte pragmatische Sanktion (S. 82) 
für die österreichischen Erblande ebenfalls anerkennen, aber nicht für 
Schlesien. Kurfürst Karl Albert von Bayern aber erhob als Nachkomme 
Ferdinands I. und als Gemahl einer Tochter Josephs I. Erbansprüche 
auf sämtliche Habsburgische Erbländer und stützte sich auf Frankreich. 
Friedrich hatte sofort seine Rüstungen begonnen; da nun Maria Theresia 
entgegen dem Rat ihrer verzagten Minister alle seine Anerbietungen 
1740 zurückwies, so rückte er schon im Dezember in Schlesien ein und besetzte 
ohne Schwertstreich fast das ganze Land; nur Glogau, Neiße und Brieg 
leisteten Widerstand und wurden eingeschlossen. Die evangelische Be- 
völkerung Schlesiens begrüßte Friedrich als ihren Befreier von religiöser 
Bedrückung; auch die katholische beruhigte sich bald infolge der guten 
Mannszucht und des freundlichen Entgegenkommens der Preußen. 
Breslau war von altersher frei von österreichischer Besatzung: auch 
Friedrich ehrte vorläufig dies Vorrecht der Stadt, besuchte sie aber und 
wurde mit Jubel empfangen. 
Noch einmal bot Friedrich die Hand zum Frieden: er wollte Maria
	        
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