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Gedichte, Erzählungen und Betrachtungen.
Eberhard, der mit dem Barte,
Württembergs geliebter Herr,
Sprach: „Mein Land hat kleine Städte,
Trägt nicht Berge silberschwer;“
„Doch ein Kleinod hält's verborgen:
Daß in Wäldern, noch so groß,
Ich mein Haupt kann kühnlich legen
Jedem Unterthan in Schoß.“
Und es rief der Herr von Sachsen,
Der von Bayern, der vom Rhein:
„Graf im Bartl! ihr seid der Reichste,
Euer Land trägt Edelstein!“
(Justinus Kerner, 1786 1862.)
120. Der Graf von Habsburg.
Zu Aachen in seiner Kaiserpracht,
Im altertüũmlichen Saale,
Sass König Rudolfs heilige Macht
Beim festlichen Krönungsmable.
Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins,
Es schenkte der Böhme des perlenden Weins.,
Und alle dieé Wäbler die sieben,
Wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt,
Umstanden geschäftig den Herrscher der Welt,
Die Würde des Amtes zu üben.
Und rings erfüllte den hohen Balkon
Das Volk in freud'gem Gedränge,
Laut mischte sich in der Posaunen Ton
Das jauchzende Rufen der Menge.
Denn geendigt nach langem verderblichem Streit
War die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
Und ein Richter war wieder auf Erden.
Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,
Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mebhr,
Des Mächtigen Beute zu werden.
Und der Kaiser ergreift den goldnen Pokal,
UInd spricht mit zufriedenen Blicken:
„Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Nanhl,
Mein königlich Herz zu entzücken;
Doch den Sänger vermiss ich, den Bringer der Lust,
Der mit süssem Klang mir bewege die Brust
Ind mit göttlich erbabenen Lehren.
So hab' ich's gehalten von Jugend an,
Und was ich als Ritter gepflegt und gethan,
Nicht will ich's als Kaiser entbehren.“