54 Das Altertum.
weigerten sich. Voll Wut schrieb ihnen Philipp: „Wenn ich nach Sparta
komme, soll keiner von euch im Lande bleiben!" „Wenn!" war die
Antwort. Er konnte seinen Plan nicht mehr ausführen; denn er ward
vorher (im 46. Jahre seines Lebens) von einem Befehlshaber ermordet.
(336.) Das Orakel zu Delphi hatte ihm über seinen Zug gegen die
Perser geschrieben:
„Siehe, der Stier ist bekränzt, sein Ende da, nahe der Opferer."
Diesen Spruch bezog er auf die Perser; er selbst aber war gemeint.
2) Alexander der Große; 336—323 v. Ghr.
a. Jugend. Alexander, der Sohn Philipps, wurde 356 v. Chr.
in derselben Nacht geboren, in welcher der berühmte Dianentempel zu
Ephesus abbrannte. Ein schändlicher Mensch hatte ihn angezündet,
um sich dadurch bei der Nachwelt zu verewigen. Die Priester dieses
Tempels hielten den Brand desselben für ein Vorzeichen eines großen
Unglücks, das Asien heimsuchen werde, und trauerten. Zu gleicher Zeit,
als Alexander geboren wurde, erfocht Philipps Feldherr einen Sieg,
und sein Viergespann trug zu Olympia einen Preis davon. Dies drei-
fache Glück schien ihm zu groß; er betete zu den Göttern: „Götter,
sendet mir doch auch ein Unglück, denn zu viel des Glücks habt ihr
mir verliehen!"
Alexander zeigte schon früh die schönsten Anlagen, und Philipp
sorgte dafür, daß dieselben aufs beste ausgebildet wurden. Er berief
Aristoteles zum Lehrer des Knaben und schrieb ihm: „Ich freue mich,
daß das Kind geboren ist, während du noch lebst, damit du es uuter-
richten und zu einem guten Könige bilden kannst." — Aristoteles flößte
dem Jüngling eine große Vorliebe für die Werke griechischer Dichter
ein; das Lieblingsbuch Alexanders waren die Gesänge Homers, die er
fast auswendig wußte; eine Abschrift derselben trug er stets bei sich und
legte sie nachts unter sein Kopfkissen. Achilles hatte er sich zum Vor-
bilde erwählt. — Als man ihn einst fragte, ob er nicht mit in den
Kampfspielen zu Olympia auftreten wolle, erwiderte er: „Ja, wenn ich
mit Königen streiten könnte!" — Wenn die Nachricht von einem neuen
Siege seines Vaters einlief, rief der Jüngling aus: „Ach, mein Vater
wird noch die ganze Welt erobern und mir nichts mehr übrig lassen."
Der Sieg bei Ehäronea war hauptsächlich das Verdienst des erst acht-
zehnjährigen Alexanders. Nach der Schlacht umarmte ihn sein Vater
mit den Worten: „Mein Sohn, suche dir ein anderes Königreich,
Macedonien ist für dich zu klein!"
Einst wurde seinem Vater ein prächtiges, aber sehr wildes Roß, Bucephalus
genannt, für einen ungeheuren Preis angeboten. Die besten Reiter versuchten es
zu besteigen, aber keinen ließ es aufsitzen. Da befahl Philipp dem Eigentümer,
das unbrauchbare Tier fortzuführen. „Schade um das prächtige Pferd!" rief
Alexander, „Vater, laß es mich noch einmal versuchen." Der König erlaubte es.
Rasch ergriff Alexander das Pferd beim Zügel und führte es gegen die Sonne,
da er bemerkt hatte, daß sich das Tier vor seinem eigenen Schatten fürchtete.