Full text: Alte Geschichte (Teil 1)

Zug nach Indien. 59 
nahm er die Fürstentochter Roxane, die „Perle des Morgenlandes," 
als Preis seiner kühnsten Waffenthat für sich und heiratete sie. Um 
eine größere Annäherung zwischen Macedoniern und Persern zu bewirken, 
suchte er griechische Bildung nach Persien zu verpflanzen und ließ Perser- 
knaben auf griechische Weise erziehen; dagegen kleidete er sich in persische 
Tracht, ließ sich auf persische Weise bedienen und verlangte sogar, daß 
seine Unterthanen nach morgenländischer Sitte vor ihm niederknien 
sollten. Das erbitterte seine alten Krieger. Dabei verleitete ihn sein 
Jähzorn oft zu Grausamkeiten. 
So ließ er den Sohn des alten Parmenio, Phikotas, töten, weil man ihn 
einer Verschwörung gegen Alexander beschuldigte; und damit der Vater seinen 
Sohn uicht rächen könne, wurde auch er — ein siebenzigjähriger Greis — durch 
gedungene Meuchelmörder niedergestoßen. — Einst kam bei einem Schmause die 
Rede auf die Helden der Vorzeit. Schmeichler erhoben Alexanders Thaten weit 
über diejenigen des Achilles und anderer berühmter Helden. Klitus aber 
behauptete, Philipp übertreffe seinen Sohn, denn bei Alexanders Thaten hätten 
dessen Soldaten das meiste gethan. Da sprang Alexander, vom Weine erhitzt, 
vor Zorn glühend von seinem Sitze aus; doch um so heftiger schrie der trunkene 
Klitus. Freunde, die für sein Leben zitterten, brachten ihn hinaus; aber er trat 
durch eine andere Thür wieder in den Saal und behauptete noch heftiger die 
Wahrheit seiner Aussage. Da riß Alexander einem Trabanten die Lanze aus der 
Hand und stach den nieder, der ihm am Granikus das Leben gerettet hatte. 
Kaum aber war die blutige That geschehen, so waren Rausch und Zorn ver¬ 
schwunden. Erschrocken über seine eigene That, weinte Alexander laut und rief 
fortwährend den Namen des gemordeten Freundes. Dann schloß er sich drei Tage 
in sein Zelt ein und nahm weder Speise noch Trank. Schon wurden die Soldaten 
unruhig und sprachen ängstlich: „Wer will uns nach Hanse führen, wenn Alexander 
nicht mehr ist!" Da drangen einige Fennde in sein Zelt und suchten ihn mit dem 
Gedanken zu trösten, der Tod des Klitus sei von den Göttern bestimmt gewesen. 
Der König zeigte sich dem Heere wieder, und sein natürlicher Leichtsinn, wie ein 
neuer Feldzug beschwichtigten bald sein Gewissen. 
e. Zug nach Indien. Im Frühling 327 brach Alexander auf, 
um auch noch das an Sagen reiche Goldlnnd Indien seiner Herrschast 
zu unterwerfen, über deffeu Bewohner man sich bis dahin die abenteuer- 
lichsten Vorstellungen machte. Der Weg dahin führte über steile Gebirge, 
durch Sandwüsten und über reißende Ströme (Indus mit seinen Neben- 
flüssen.) Am jenseitigen Ufer des Flusses Hydaspes (jetzt Dschelam) 
stand der König Porus mit einem tapferen Heere. Mitten in der 
Nacht, während eines heftigen Gewitters, setzte Alexander über uud griff 
Porus an. Dieser kämpfte wie ein Löwe und war der letzte, der das 
Schlachtfeld verließ. Von Wunden erschöpft, fiel er in Alexanders 
Hände. „Wie willst du behandelt sein?" fragte dieser ihn.— „König¬ 
lich". — „Erbittest du dir sonst nichts von mir?" fragte Alexander 
weiter. „In dem Worte königlich liegt alles," war die Antwort. — 
Alexander gab ihm nicht nur sein Land zurück, sondern schenkte ihm noch 
neue Besitzungen dazu. 
Alexander war bis an den Hyphasis gelangt und wollte auch 
diesen überschreiten; da wurden seine Macedonier unmutig. Sie sehuteu 
sich nach der Heimat, von der sie über 600 Meilen entfernt waren;
	        
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