Full text: Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) [bis zum Westfälischen Frieden] (Bd. 2)

Humanismus und Renaissance. 1Z1 
saal eines Mailänder Klosters) und das wunderbare Frauenbildnis Mona Lisa. 
Michelangelo bewies seine staunenswerte Kiwstlerschaft durch die leben- 
sprühenden Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle (im Vatikan); sie 
Mdern einige Haupttatsachen der Heilsgeschichte (Schöpfung, Sündenfall, Ver¬ 
kündigung des Erlösers); ergänzt werden sie durch das großartige Jüngste Ge- 
richt an der Altarwand der gleichen Kapelle. Der früh (zu Rom) dahingeschiedene 
Raffael vereinigte in seinen Madonnenbilderrt liebliche Anmut mit hoheitsvoller f 1520 
Würde; am bekanntesten sind die Sixtinische Madonna (jetzt im Dresdener 
Museum) und die Madonna della Sedia (in Florenz). Außerdem schuf er 
die herrlichen Fresken in den vatikanischen Stanzen (Empfangsräumen); die 
Wandgemälde versinnbildlichen die Theologie, Philosophie, Dichtimg und Rechts¬ 
wissenschaft. Correggio (in Parma) war der sog. Meister des Helldunkels, d.h. er f 1534 
erzielte wundervolle Licht- und Farbenwirkungen durch die Gegensätze; so strahlt 
z. B. in seiner Hl. Nacht helles Licht von der Krippe aus, beleuchtet die halb- 
dunkle Umgebung und verklärt die anbetenden Hirten und die jubelnden Engel. 
Unerreicht an Farbenpracht und unübertrefflich in der Darstellung menschlicher 
Schönheit sind die Werke des großen Venetianers Tizian: eine Schilderung f 1576 
höchsten Glücks und seligen Entzückens ist die Himmelfahrt Maria (Assunta, 
in Venedig). Tizian malte auch zahlreiche Porttätbilder, darunter öfter dasjenige 
Karls V. (eines in der Münchener Alten Pinakothek). 
b) Literatur und Kunst in Deutschland. 
1. Wissenschaft und Dichtung. Der Begründer des deutschen Humanismus 
war Rudolf Agricola1) in Heidelberg. Dann wirkte der phantasievolle Dichter f 1485 
und patriotische Historiker Konrad Celles in Ingolstadt und Wien. Als aus- f 1508 
gezeichneter Kenner des Hebräischen rettete der schwäbische Gelehrte Johann 
Reuchlin (aus Pforzheim) in einem Streit mit den Kölner Dominikanern die f 1522 
jüdischen Religionsbücher vor der drohenden Vernichtimg. Der gelehrte Jakob 
Wimpheling in Sttaßburg schuf in seinem „Wegweiser für die Jugend Deutfch- f 1528 
lands" die erste deutsche Pädagogik und Methodik. Der Augsburger Patrizier 
Konrad Peutinger, ein Freund Kaiser Maximilians, stiftete in Augsburg eine f 1547 
gelehrte Gesellschaft; seinen Namen trägt die „Peutingersche Tafel", eine aus dem 
3. Jahrh. stammende Sttaßenkarte des römischen Reiches. Der Nürnberger Rats¬ 
herr Willibald Pirfheimer bildete den Mittelpunkt eines regen Wissenschaft- fl530 
liehen und künstlerischen Lebens in seiner Vaterstadt. 
Desiderius Erasmus von Rotterdam (gest. in Basel), der Hauptvertreter der f 1536 
religiös-pädagogischen Richtung, erstrebte eine Reform der Kirche, aber auf fried- 
lichem Wege. Gegen verschiedene Äußerlichkeiten und Mißstände des damaligen 
kirchlichen Lebens richtete er u. a. das „Lob der Narrheit"; trotzdem zog er sich von 
der beginnenden Reformation Luthers zurück und bekämpfte dessen Auftreten. 
Ulrich v. Hutten, aus einem fränkischen Rittergefchlechte, stritt kühn für die neue f 1523 
Bildung. Auch lobte er begeistert Luthers Vorgehen und griff nach feinem Wahl¬ 
spruch „Ich Habs gewagt" das Papsttum sowie die kirchlichen Zustände aufs heftigste 
an. Von Kämpfen und Krankheiten erschöpft, starb er frühzeitig auf der Insel 
Ufnau im Züricher See. Philipp Melanchthon (Schwarzerd) aus Bretten f 1560 
in Baden, der bekannte Freund und Mitarbeiter Luthers, wurde zur Einrich- 
*) Eigentlich hieß er Landmann; aber die Humanisten liebten es, ihren Namen 
durch wörtliche Übersetzung eine lateinische oder griechische Form zu geben. 
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