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wird aber vorher abgeschätzt, wieviel das wert ist, und das bekommt er be¬
zahlt. — Die Religion ist frei; jeder kann im Lande zu der Religion gehören,
zu der er will. Denn der Lerr Christus hat gesagt: „Gebet dem Kaiser, was
des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." Die Religion aber gehört Gott
und nicht dem Kail er. Ebenso darf alle Wissenschaft frei getrieben werden,
und keinem Menschen darf es verboten werden, daß er die Wahrheit sagt,'
wenn er glaubt, er wüßte sie. And jeder Mensch in Preußen muß wenigstens so¬
viel von den Missenschaften erlernen,als in den Volksschulen gelernt wird. Stumpf
und dumm wie ein Tier darf in Preußen kein Mensch aufwachsen. — Auch
seine Meinungen darf jeder Mensch aussagen und ausbreiten. Er darf also in
die Zeitungen schreiben, was er für richtig hält, und darf sich mit anderen
Menschen in Vereinen verbinden, damit er ihnen seine Meinung sagen und ein¬
flößen kann, und Reden in Versammlungen halten. Natürlich darf er dabei
immer alles das nicht tun, was im Strafgesetz verboten ist. Wenn z. B. einer
m die Zeitung schreiben wollte: „Ihr müßt den König ermorden und das Vater¬
land den Franzosen ausliefern", dann würde er natürlich bestraft werden, denn
der Königsmord und die Aufreizung dazu und der Vaterlandsverrat sind ver¬
boten. Oder wenn einer in der Versammlung sagen wollte: „Äerr Meyer ist
ein Esel , so könnte Äerr Meyer ihn wegen Beleidigung verklagen, und er
würde bestraft werden. Denn niemand darf Äerrn Meyer beleidigen. Wenn
einer auch wirklich glaubt, daß Äerr Meyer ein Esel ist, das nützt ihm nichts;
denn wenn er das in einer Versammlung sagt, dann will er eben Lerrn Meyer
in 1 einer Ehre kränken, und das darf er nicht. — Dann wird noch bestimmt,
daß alle Preußen wehrpflichtig sind. Auf welche Art und wie lange, darüber
werden einzelne Gesetze erlassen.
So waren nun die Grundrechte in der Verfassung festgelegt, nach denen
ber preußische Staat regiert werden sollte. And was die Bürger seit so langer
Zelt ersehnt hatten, was ben Bayern unb Württembergern, ben Babenern
unb Äessen schon seit ben Freiheitskriegen, ben Sachsen unb Kurhessen 1831
durch ihre Fürsten zugestandn war, baß ihnen ihre Freiheit in einem Gesetz
sichergestellt unb eine Volksvertretung eingerichtet würbe, bas war nun auch
in Preußen wirklich geschehen.
Kabisch, Das neue Reich.
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