Der erste Kreuzzug und die Errichtung des Königreichs Jerusalem. 107
Im Herbst des Jahres 1096 waren an 100000 waffenfähige
abendländische Christen unterwegs zum Kampf gegen die Un¬
gläubigen; aber von vornherein machte sich der Mangel einer
einheitlichen Leitung des Ganzen fühlbar. Als Sammel¬
ort hatte Adhemar für die verschiedenen Heereshaufen Kon¬
stantinopel bestimmt, und hier trafen Ende 1096 bis ins
Frühjahr 1097 nach und nach die einzelnen Abteilungen ein,
fanden aber bei Kaiser Alexios nur wenig Entgegenkommen.
2) Die Kreuzfahrer in Kleinasien: Im Frühling des
Jahres 1097 gingen die ersten Kreuzfahrer über den Bosporus
und langten bald vor dem stark befestigten und mit einer
zahlreichen mohammedanischen Besatzung versehenen Nicäa1)
an. Als das Gesamtheer der Kreuzfahrer vor der Stadt ein¬
getroffen war, gaben die Belagerten die Fortsetzung des Wider¬
standes auf und überlieferten Nicäa dem Bevollmächtigten des
Alexios, der so die abendländischen Bundesgenossen um die
Frucht ihrer Mühen betrog.
Auf dem Weitermarsche siegte Boemund mit deutscher
und französischer Hilfe bei Doryläum2) über das Heer des
Sultans von Ikonium3). Bald darauf trennte sich Balduin
vom Hauptheer und zog, einer Einladung aus Armenien folgend,
nach Osten; im folgenden Jahr wurde er hier an Stelle des
einheimischen Herrn durch eine Verschwörung zum Fürsten
von Edessa4) erhoben.
3) Die Kreuzfahrer in Syrien: a) Antiochla: Nach
vielen Beschwerden langte das Hauptheer im Herbst des Jahres
1097 vor dem starken Antiochla in Syrien5) an. Die Be¬
lagerung ging nicht vonstatten; dagegen räumten Hunger und
Seuchen furchtbar unter den Christen auf. Endlich gelang es
Boemund durch den Verrat eines Renegaten, Eingang in die
Stadt zu gewinnen, worauf die Kreuzfahrer unter einem furcht¬
baren Gemetzel ihren Einzug hielten. Aber wenige Tage nachher
sahen sie sich selbst von einem ungeheuren Türkenheer ein¬
geschlossen, das auf Befehl des Sultans von Bagdad zum Ent¬
satz aach Antiochla herbeigeeilt, aber zu spät gekommen war.
Bereits war die Hungersnot aufs höchste gestiegen, als man
’) Südöstlich vom Marmarameer.
*) Ostsüdöstlich von Brussa.
3) Heute Konia im südlichen Kleinasien.
4) Östlich vom oberen Euphrat, ostnordöstlich von Haleb.
5) Am unteren Orontes.