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Nun vernehmet, wie Gott, der Herr über alle Dinge, nicht länger dem
Übermute zusehen wollte. Ein Weber saß in der Hacht gefangen, der eine
solche Missetat verbrochen hatte, daß er nach der Schössen Urteil es mit dem
Leben büßen sollte. Der Richter erhielt den Auftrag, ihn aus der Haft zu
holen und ins Feld zu führen. Henkin vom Turme hieß der Verurteilte.
Er war den Webern bekannt, denn er war einer ihrer Gesellen. An diesem
Tage nun kam ein Weber zu den beiden Häusern gelaufen, wo die Weber
waren, und sprach: „Ihr Herren, sehet zu, wie es euch gefalle, daß man
euren Gesellen ins Feld führt und ihm das Haupt abschlägt. Ich sah ihn
eben ohne Zögern hinaus führen." Ein Weber vernahm dies, der ward
zornig und lief hinweg von dem Hause und rief das Volk an, es solle vor
die Stadt ziehen und den Mann mit Gewalt befreien. Das taten sie denn
auch und eilten, mit dem Schwerte bewehrt, vor das Tor, um den Gefangenen
ledig zu machen. Keiner ließ da zu Hause Keule und Spieß. Als sie nun
ins Feld kamen, erblickten sie Herrn Eberhard Hardefust, der zu der Zeit
Richter war, auf seinem Hengste. Ein Weber lief zu ihm, der hieß Heinrich
von der Bachstraße. „Herr Richter," rief er, „wir wollen, daß der Mann
am Leben bleibt, gebt ihr ihn nicht los, so soll es euch gereuen!" Herr
Eberhard gab zur Antwort: „Ich kann euch feinen Manu freigeben, über
den Schöffenurteil ergangen ist, mag es mich gereuen oder nicht." Hört, was
die Weber taten? Sie entrissen den Verurteilten mit Gewalt den Henkern
und führten ihn in die Stadt zurück. Als dies Johann von Trojen und
Tilmann von Kovelshofen fahen, eilten sie nach dem Gebührhaus (Zunfthaus)
von St. Brigiden und erzählten hier bei der Brüderschaft, was geschehen war.
Als man diese Kunde vernahm, war jeder darauf bedacht, sich zu wappnen.
Sie liefen nach Hause und legten Waffen an. Arme und Reiche. Auch die
Herren vom Rate säumten nicht lange uud kamen nach St. Brigiden. Die
ersten, die sich zu ihnen gesellten, waren die Löher (Gerber), dann eilte die
Gesellschaft vom Eisenmarkte herbei; die Kaufleute vom Altenmarkt, die Gesellen
vom Himmelreiche ließen sich nicht lange mahnen, sie stellten sich eiligst unter
das städtische Banner. Auch die Fischmenger (Fachverkäufer) kamen hinzu.
Die Brüderschaft von St. Brigiden wollte es nicht dulden, daß man den
Frieden bräche, sie erklärte, sie wolle eine Änderung der Herrschaft bewirken.
So zogen sie denn mit aufgestecktem Banner aus dem Gebührhause zu St.
Brigiden. Ihnen folgte mancher Mann. Sie rückten gegen die Arsbnrg vor.
Hier hörten sie, daß sich ein Teil der Weber in Waffen bei den Frauen¬
brüdern (die Brüder Unserer lieben Frau) versammelt habe. Da zogen sie
denn den Bach aufwärts über den Waidmarkt nach der Arsburg. Als dies
die Weber sahen, flohen sie in Peter Nikols Haus, ließen aber ihr Banner
dranßen, bei welchem zwei Männer vor dem Tore zurückblieben. Der eine
ward erschlagen, der andere blieb für tot liegen, das Banner wurde zerhauen
und in Stücke zerrissen. Die Schmiede wollten den Webern zu Hilfe kommen,
als sie aber die Weber geschlagen sahen, flohen sie auseinander.
Also zog der Rat mit den Brüderschaften von dort bis nach dem
St. Johannis-Kirchhof, und da blieben tot sechs Mann von den Webern.
Da der Rat nnd die Brüderschaften vernahmen, daß auch die Weber von
dem Griechenmarkte mit ihrem Banner gegen sie gezogen kamen, da stellten
sie sich ihnen entgegen. Als das die Weber gewahr wurden^ und sahen, daß
man ihnen entschlossen entgegenkäme, und daß ihre Gesellschaft auf dem Waid-