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feine Bübel!" denn er war ein Nürnberger, und zum Vater sprach er: „Willst
du mit den Kindern herauskommen, so geh alsbald fort; denn die Kroaten
werden über eine Stunde hereinkommen, so wirst du mit deinen Kindern schwer-
lich leben bleiben!" Indessen besinnt er sich und spricht: „Ja, ich habe aber noch
keine Beute gemacht; ich will dich wohl hinausführen, aber ich muß erst Beute
machen," und wollte wieder hinweggehen. Da fielen wir ihm zu Füßen und
baten, er solle uns doch nur mitnehmen; wir wollten gern, wenn er uns nach
Gommern, zwei Meilen von Magdeburg gelegen, bringen würde, zweihundert
Taler geben. Aber er sagte, er müsse erst Beute haben. Wir sollten nur an
dem Orte bleiben, er wolle noch ein paar Häuser absuchen, bis er Beute habe,
hernach uns holen, schwur und vermaß sich hoch, er wolle wiederkommen. Weil
er nun gar so hart daraus bestand, daß er Beute haben müsse, so spricht unsre
Magd, er solle mit in ihr Haus gehen, da sei eine Hucke mit Kleidern und
Geld und andern Sachen ihres Mannes, die wolle sie ihm geben, wenn er uns
hinausführe. Der Vater bat auch die Magd, sie möge diese letzte Treue an
uns tun und den Soldaten wiederbringen. So ging der Soldat mit der
Magd davon.
Wir hatten schon verzagt, daß sie würden wiederkommen können, befahlen
uns Gott und krochen wieder unter das alte Dach. Da hörten wir erst, wie
es in nnserm Hause herging. Kisten und Kasten hörten wir aufschlagen, sahen
auch durch die Ziegel, tote die armen Leute, unsere Nachbarn, gestoßen und ge-
martert wurden, und glaubten uns alle Stunden des Todes. In solcher Angst
blieben wir eine gute halbe Stunde.
Indessen war der Soldat mit der Magd eine sehr weite Straße durch drei
oder vier Gassen in ihr Haus gegangen, und sie selbst hatte die obengedachte
Hucke angefaßt und trug sie ihm. Er aber hatte unterwegs gefragt, wer wir
doch feien. Da fährt das gute Weib heraus und sagt, daß mein Vater Ober-
stadtschreiber wäre. Im Herumgehen hat er unterschiedliche Male gesagt, sie
solle ihn doch wieder in das Haus führen, wo die kleinen Bübel wären. Als
nun die Magd mit ihm wieder in das Haus kam, was wir nimmermehr ver-
mutet, steht der Soldat im Hofe und ruft nach dem Boden zu: „Herr Ober-
stadtschreiber, kommt herunter!" Diese Worte waren dem Vater wie ein Messer,
so ihm würde in den Leib gestoßen, indem er nicht aussinnen konnte, wer ihn
doch kennete; er vermeinte endlich in der großen Angst, er sei verraten worden,
sie hätten die Magd gemartert, daß sie gesagt, wo die Leute im Hause und
wer sie seien. „Ach, daß es Gott erbarme!" sagte er mit Tränen, „ich bin ver-
raten, nun werden wir gewiß an die rechte Angst gehen." Der Soldat aber
rief fort, er solle bald kommen. Darauf gesegneten sich Vater und Mutter,
vermeinten, wir würden entweder sterben oder doch eins von dem andern
kommen, und gingen in großer Angst und Todesfurcht hinunter. Aber als wir
hinunter in den Hof kamen, stand unser Soldat bei der Magd und empfing
uns. Das ganze Haus war voll Soldaten, Pferden und dergleichen. Etliche
wollten auch stracks auf den Vater los, aber der Soldat nahm sich unser au,
sagte, wir feien seine Gefangenen, und ließ uns nicht antasten. Darauf ging
die Mutter in die Stube und sah ihre Schaube, die nahm sie, und weil der
Soldat sagte, wir sollten Brot mit ins Lager nehmen, es sei draußen wenig zu
bekommen, nahm sie auch zwei Brote mit in einem Korbe.
Also gingen wir um 10 Uhr ungefähr aus dem Hause hinaus. Wir Kinder
nahmen einander Paar um Paar bei den Händen und gingen auf des Vaters
ernste Bedrohung geschwind vor den Eltern her und dem Soldaten nach.
Unsere Anna, so die kleine Schwester Anna Magdalena wartete, trug sie auf
dem Arme in ihrem Bettchen hinter uns her und gab neben unfrer gewesenen
Magd ein wenig acht auf uns Kinder, daß wir uns nicht etwa verspäteten oder
voneinander kämen. Endlich folgten Vater und Mutter. Damit der Vater