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Ich schloß mich dem dicht unter dem Dorfe stehenden Regimente v. Geist
an, auf das eine feindliche, gegenüberliegende Batterie heftig mit Hanbitz-
Granaten feuerte, aber wenig Schaden tat, weil sie zu hoch schössen. Jede
Abseneruug aber machte es auf einige Momente so hell, daß man in der
dunklen Nacht einander sehen konnte; und so ward ich von dem Herrn Major
Kommandeur von Gelsdorff und einigen reformierten Gemeinen erkannt. Diese
beklagten mich, und einer sagte: „Hier müssen die Schafe und nicht der Hirte
kämpfen!" Jetzt war es dem Könige zur Gewißheit geworden, daß der
Feind seinen Hauptangriff auf unfern rechten Flügel gerichtet hatte. Der brave
Feldmarschall v. Keith "kam an das von Geistsche Regiment heran und befahl,
dieses sollte unter dem Dorfe auf seinem jetzigen Platze fest stehen bleiben.
Darauf wandte er sein Pferd und befahl seinem Adjutanten, er solle das
Regiment v. Jtzenblitz rufen. Dieses ganz vortreffliche Regiment kam und
ging mutig mit aufgepflanztem Bajonett in das Dorf; ehe es aber den
Feind mit dem kleinen Gewehr erreichen konnte, war es durch die am Ein-
gange der Dorfgasse aufgepflanzten feindlichen Kanonen in weniger als zehn
Minuten niedergestreckt, ehe es zwei Drittel der Dorfgasse zurückgelegt hatte.
Es kam nur ein kleiner Rest dieses Heldenregiments zerstreut wieder zurück
und schloß sich an das v. Geistsche Regiment an. Der Feind, der dies be-
merkte und nun, da es hell geworden war, sah, daß er zu hoch geschossen
hatte, richtete seine Kanonen kürzer, und nun fielen die Haubitzkugelu gerade
wie Hagelsteine und schlugen rottenweise die Soldaten nieder. Ich stand
neben dem Herrn Hauptmann v. Vittighofen, er und ich redeten den Leuten
zu, fest zu stehen, bis wir abgerufen würden. Ein jimger Soldat sagte:
„Wir müssen doch alle einmal sterben und bitten ja täglich im Vater Unser:
Dein Wille geschehe!" Kaum hatte er dies gesagt, so sauk er, von einer
Kugel tödlich getroffen, neben uns nieder.
Um nicht ferner Menschen nutzlos totschießen zu lassen, befahl der Kom-
mandenr Herr von Gelsdorff, das Regiment solle einige zwanzig Schritte vor¬
wärts rücken. Dies geschah, und wir kamen dadurch glücklich aus dem Strich
der feindlichen Kanonen, die nun wieder über uns wegschössen. Während-
dessen kam das Regiment Prinz von Preußen unter Anführung seines mutigen
und freundlichen Kommandeurs, des Herrn Grafen von Lottum, mit starken
Schritten anmarschiert, um durch die Dorfgasse zur Wiedereroberuug der
Batterie jeuseit Hochkirchs zu eilen. Da der Graf von Lottum von meiner
Gemeinde war, so redete er mich an. Ich sagte ihm, daß er schwerlich durch
die Dorfgasse zur Batterie kommen könnte, wenn er nicht um das Dorf herum-
gehen würde. Er antwortete: „Ich habe Order, gerade in das Dorf zu gehe»;
des Herrn Wille geschehe!" Er wandte sich mit einem Gesicht voll Mut,
übersah das aufmarschierte Regiment noch einmal, kommandierte mit starker
Stimme: „Marsch!" Das feindliche Feuer vervielfachte sich, die Erde bebte,
als ob eilte Erderschütterung ihren Anfang nähme, und wo man hinter uns
sah, da fielen Helden, die auch znm Wiedereinnehmen des Dorfes zu Fuß
und zu Pferde anrückten. Eben war der Herr Feldmarschall v. Keith wieder
zu Pferde angekommen, den Fortgang der Attacke des Regiments Prinz
von Preußen auf das Dorf zu sehen. Er hielt wenige Schritte auf der
rechten Seite diesseit des Dorfes. Da nun er und der Herr von Lottum
die zwei Personen waren, die meine größte Aufmerksamkeit auf sich zogen, so
waren meine Blicke zwischen dem Feldmarschall und der Dorfgasse geteilt, in