36
A. Rein epische Poesie. II. Tierepos.
Also verfahren. Doch wär' es ihm Ernst, nach Hofe zu kommen,
Hätt' er sich lange gefunden. Es eilten die Boten des Königs
Durch das Land, die Gäste zu laden, doch blieb er zu Hause."
145 Und es sagte der König darauf: „Was sollen wir lange
Hier ihn erwarten? Bereitet euch alle — so sei es geboten! —
Mir am sechsten Tage zu folgen. Denn, wahrlich, das Ende
Dieser Beschwerden will ich erleben. Was sagen die Herren?
Wär' er nicht fähig zuletzt, ein Land zu Grunde zu richten?
150 Macht euch fertig, so gut ihr nur könnt, und kommet im Harnisch,
Kommt mit Bogen und Spießen und allen andern Gewehren
Und betragt euch wacker und brav! Es führe mir jeder,
Denn ich schlage wohl Ritter im Felde, den Namen mit Ehren!
Malepartus, die Burg, belegen wir; was er im Haus hat,
155 Wollen wir sehen." Da riefen sie alle: „Wir werden gehorchen."
Also dachte der König und seine Genossen die Feste
Malepartus zu stürmen, den Fuchs zu strafen. Doch Grimbart,
Der im Rate gewesen, entfernte sich heimlich und eilte,
Reineken auszusuchen und ihm die Nachricht zu bringen;
160 Trauernd ging er und klagte vor sich und sagte die Worte:
„Ach, was kann es nun werden, mein Oheim! Billig bedauert
Dich dein ganzes Geschlecht, du Haupt des ganzen Geschlechtes!
Vor Gerichte vertratest du uns, wir waren geborgen;
Niemand konnte bestehn vor dir und deiner Gewandtheit."
165 So erreicht' er das Schloß, und Reineken fand er im Freien
Sitzen; er hatte sich erst zwei junge Tauben gefangen;
Aus dem Neste wagten sie sich, den Flug zu versuchen,
Aber die Federn waren zu kurz; sie fielen zu Boden,
Nicht imstande sich wieder zu heben, und Reineke griff sie;
170 Denn oft ging er umher, zu jagen. Da sah er von weitem
Grimbart kommen und wartete sein; er grüßt' ihn und sagte:
„Seid mir, Neffe, willkommen vor allen meines Geschlechtes!
Warum lauft Ihr so sehr? Ihr keuchet! Bringt Ihr was Neues?
Ihm erwiderte Grimbart: „Die Zeitung, die„ich vermelde,
175 Klingt nicht tröstlich, Ihr seht, ich komm' in Ängsten gelaufen;
Leben und Gut ist alles verloren. Ich habe des Königs
Zorn gesehen; er schwört Euch zu sahen und schändlich zu töten.
Allen hat er befohlen, am sechsten Tage gewaffnet
Hier zu erscheinen mit Bogen und Schwert, mit Büchsen und Wagen.
180 Alles fällt nun über Euch her, bedenkt Euch in Zeiten!
Isegrim aber und Braun sind mit dem Könige wieder
Besser vertraut, als ich nur immer mit Euch bin, und alles,
Was sie wollen, geschieht. Den gräßlichsten Mörder und Räuber
Schilt Euch Isegrim laut, und so bewegt er den König.
185 Er wird Marschall; Ihr werdet es sehn in wenigen Wochen.
Das Kaninchen erschien, dazu die Krähe, sie brachten
Große Klagen gegen Euch vor. Und sollt' Euch der König
Diesmal sahen, so lebt Ihr nicht lange; das muß ich befürchten." —
„Weiter nichts?" versetzte der Fuchs. „Das ficht mich nun alles
190 Keinen Pfifferling an. Und hätte der König mit seinem
Ganzen Rate doppelt und dreifach gelobt und geschworen: