Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten (Teil 1)

§32. VI. Kaiser aus verschiedenen Häusern. 59 
3. Kampf gegen die Raubritter. Nachdem in Ottokar der große 
Feind bezwungen war, kamen die kleinen an die Reihe. Das Rittertum, 
die schöne Blüte des Mittelalters, war von seiner Höhe herabgesunken. 
Waren früher die Ritter Schutz und Schirm der Wehrlosen gewesen, so 
waren sie jetzt ihr Verderben. Sie lauerten den Kaufleuten auf, die mit 
ihren Waren des Weges zogen, und nahmen ihnen Habe und Leben. In 
endlosen Fehden rieben sie ihre Kräfte auf, ihre Sitten wurden roh, ihre 
Sinnesart wild. Um diesem Unwesen zu steuern, erließ Rudolf ein Land- 
friedensgesetz. Er verbot den Fürsten, sich zu befehden, und den Rittern, 
sich an fremdem Gut und Leben zu vergreifen. Um die Ausführung 
seiner Befehle zu überwachen, zog er von Gau zu Gau. So milde er im 
persönlichen Verkehre war, so unerbittlich war er, wenn es galt, den fried- 
lichen Bürger gegen den Unhold zu schützen. In Erfurt ließ er an 
einem Tage 29 Raubritter enthaupten, 66 Burgen dieses Raubgesindels 
brach er in Thüringen und Sachsen. So stellte er Frieden und Ordnung 
im Reiche her. 
4. Rudolfs Persönlichkeit. Rudolf war ein gerechter Fürst. So 
bekannt war seine Gerechtigkeitsliebe, daß man ihn das lebendige Gesetz 
nannte, und lange sagte man im deutschen Volke von dem, der sein Wort 
nicht hielt: Dieser hat Rudolfs Redlichkeit nicht. Streng und gerecht 
war feine Verwaltung. Gleich nach seiner Thronbesteigung schrieb er in 
einer Verordnung an die Steuereinnehmer: „Das Geschrei der Armut ist 
zu meinen Ohren gedrungen. Die Reisenden zwingt ihr zu Auflagen, die 
sie nicht bezahlen, zu Lasten, die sie nicht tragen sollen. Haltet eure Hände 
zurück von unrechtem Gute und nehmt, was euch zukommt!" 
Der Kaiser war ein Freund von Kunst und Wissenschaft. Er be- 
dauerte oft, daß er nicht mehr gelernt habe, und daß ihm die Zeit fehle, 
das zu lesen, was weise Männer geschrieben. Die deutsche Sprache 
hat er zu Ehren gebracht, er hat sie zur Sprache der kaiserlichen Kanzlei 
erhoben. Bis dahin wurden die kaiserlichen Urkunden und Verordnungen 
in lateinischer Sprache abgefaßt. Wenn die Minnesänger jener Zeit ihm 
Liebe und Teilnahme für die Poesie absprechen und in ihren Liedern sich 
über seinen Geiz beklagen, so haben wir Gründe genug, zu glauben, daß 
diese Anklage nicht berechtigt ist. Die Minnepoesie war in der kaiserlosen 
Zeit in Verfall geraten wie das Rittertum selbst, und die Sänger waren 
oft habgierige Leute; wer ihnen nicht mit vollen Händen gab, den schalten 
sie geizig. Rudolf hatte viel wichtigere Angelegenheiten zu ordnen, als 
einer verfallenen Poesie seine Teilnahme zn widmen; das Reich und seine 
Erblande erforderten zu große Ausgaben, als daß er die immer leeren 
Taschen der fahrenden Sänger hätte füllen können. 
Der erste Fürst der Christenheit war ein sehr einfacher, anspruchsloser 
Mann. Kostbare Speisen verschmähte er; gewöhnlich ging er in einem 
grauen Anzüge. In einem solchen nahm er die Belehnung des königlich
	        
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