Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten (Teil 1)

§ 45. IX. Aus der Kulturgeschichte des ausgehenden Mittelalters. 77 
Man schrieb auf Tierhäute, die mit dem Schabeisen gesäubert und mit 
Bimsstein geglättet waren. Aufgeriebene Kreide gab ihnen eine schöne 
helle Farbe. Die Haut wurde dann in einzelne Blätter zerschnitten. 
Solche zubereitete Blätter nannte man Pergament. Waren Löcher und 
Risse in den Blättern, so wurden diese mit bunten Seidenfäden zusammen- 
geheftet. Große Sorgfalt erforderte auch das Liniieren der Blätter. Mit 
den Spitzen eines Zirkels wurde die Entfernung der Linien genau abge- 
messen. Dann wurden die mittels des Zirkels hergestellten Punkte durch 
Linien verbunden. Auf die Linien wurde geschrieben. Die Anfangsbuch- 
stabeu, Initialen, wurden oft schön gemalt; die Schrift war zierlich und 
erregt heute noch unfre Bewunderung. Das geschriebene Blatt wurde 
oft nur zusammengerollt und so aufbewahrt; oft wurden auch mehrere 
Blätter zu Büchern vereinigt. Die Deckel der Bücher waren gewöhnlich 
aus Holz und mit Leder überzogen. Eine Vorrichtung aus Metall oder 
Leder hielt die Deckel zusammen. So sind die Werke der Griechen und 
Römer, so die Heilige Schrift, so die Bücher der mittelalterlichen Gelehrten 
vervielfältigt worden. Natürlich waren die mit so vieler Mühe herge- 
stellten Bücher teuer und selten. In den Schulen waren nur wenig 
Exemplare eines Lehrbuches vorhanden. Der Lehrer sagte einen Satz und 
ließ ihn so lange wiederholen, bis er zum geistigen Eigentums der Schüler 
geworden war. Das Gedächtnis wurde durch diese stete Übung sehr ge- 
stärkt. Die Möuche schrieben meist für Schulen und Gelehrte. Am 
Ausgange des Mittelalters war auch für die Bürger der reichen Städte 
das Bedürfnis nach Büchern rege geworden. Deshalb hatte sich in den 
größern Handels- und freien Reichsstädten ein eigner Stand von Ab- 
schreiben: herangebildet, der für die allgemeinen Bedürfnisse des Volkes 
tätig war. Man schrieb Gedichte, Sagen, Volksbücher, gemeinverständliche 
Schriften über Heilkunde, gereimte deutsche Bibeln, Heiligenlegenden, Gebet- 
und Erbauungsbücher. Diese Bücher wurden von umherreisenden Händlern 
namentlich auf den Jahrmärkten verkauft. sFiss. 14.) Trotzdem gehörten die 
Bücher immer noch zu den Seltenheiten und waren ein kostbarer Besitz. 
2. Gutenbergs Erfindung. Da kam Johannes Gutenberg 
aus Mainz auf den Gedanken, die Schriftzeichen in einzelnen Stäbchen 
aus Buchenholz auszuschneiden, mit schwarzer Farbe zu bestreichen und 
auf einem Blatt Papier einen Abdruck davon zu machen. Später goß 
er die Buchstaben aus Zinn. Mit solchen Buchstaben druckte er im 
Jahre 1452 zum ersten Male die Bibel; das Jahr 1452 gilt deshalb als 
das Erfindungsjahr der Buchdruckerkunst. Die neue Kunst wurde immer 
mehr vervollkommnet, und jährlich wurden viele neue Bücher gedruckt. 
Gutenberg und seine Gehilfen hielten anfangs ihre Kunst geheim, damit 
sie von andern nicht nachgeahmt würde. Im Jahre 1462 wurde die 
Stadt Mainz, der Sitz der Erfindung, belagert und eingenommen. Da- 
durch zerstreuten sich die Gesellen nach allen Weltgegenden und errichteten
	        
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