Die weltgeschichtlichen Völker Europas. II. Die Römer. 69
dessen Becken herum die alte Geschichte sich entfaltet, dann aber be-
sonders auf dem Charakter der indo-germanischen Völkerschaft,
welche als Träger der römischen Geschichte anzusehen ist, und die
hervorragende Menschen, befähigt zu großen Thaten, und charaktervolle
Einrichtungen erzeugte, Bürger eines Staates, die keinen würdigeren
Schauplatz ihrer Bestrebungen kannten, als das Forum und das
Schlachtfeld, kein höheres Ziel als die Ausbildung des Rechts im
Innern und der Kriegskunst zur Erlangung der Herrschast nach
außen. Es sind die Latitter, ein ernstes, nüchternes, thatkräftiges
und charakterfestes Geschlecht mit conservativem Sinne, das sich Haupt-
sächlich mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigte und schon vor der
Gründung Roms einen Bund von 30 vereinigten Gemeinden bildete,
dessen Vorort Alba Longa war. Nordöstlich von Latium in der
wilden Berglandschaft des Apennin wohnte ein verwandter Volks-
stamm, die Sab in er, ein abgehärtetes, tapferes, genügsames Berg-
Volk, streng von Sitten, streng in religiösen Dingen, ebenfalls streng
festhaltend an den Gesetzen und Einrichtungen der Väter. Da nun,
wo Latiner und Sabiner sich berührten, etwa drei Meilen von der
Tibermündung, hatte sich eine latinische Gemeinde auf dem von sechs
andern Hügeln umgebenen Palatinischen Hügel angesiedelt, wäh-
rend auf dem benachbarten quirinalischen eine sabinische Gemeinde
bestand, und aus der Vereinigung beider nach Abstammung, Sprache,
Gottesdienst und Sitte so nahe verwandter Gemeinden entstand Rom. 753
Bald erweiterte sich das Machtgebiet des aus einer glücklichen ^
Mischung so tüchtiger Stämme gebildeten aufstrebenden Volkes: dieses
behauptete sich siegreich gegen die Etrusker und Sabiner und unter-
warf sich die umliegenden kleinen latinischen Ortschaften; die Acker-
baustadt Rom wurde bald in Folge ihrer günstigen Lage durch die
von ihr abhängige Hasenstadt Ostia an der Tibermündung in leb-
haften Handelsverkehr mit etrurischen, punischen, später auch griechischen
Kaufleuten gezogen, trat frühzeitig schon dem latinischen Bunde selb-
ständig gegenüber, gerieth mit Alba Longa in Kampf und wurde
nach Zerstörung desselben Haupt des latinischen Bundes; sie
erhielt dann von den nach Abstammung, Sprache und Sitte den Römern
fremden Etruskern als Symbol der Unterwerfung derselben die
Abzeichen ihrer königlichen Gewalt: goldene Krone, elfenbeinernen
Herrenstuhl (curulischen Sessel), Scepter mit Adler, goldgesticktes Purpur-
kleid und die 12 in Ruthenbündeln versteckten Beile (fas,ces), die Sinn¬
bilder der richterlichen Gewalt über Leben und Tod — und drückte
ganz Latium in das Verhältniß der Unterthänigkeit herab.
Die ältesten Staatseinrichtungen, Curien- und Centnrieneintheilnng; das
Königthum und die den Königen zugeschriebenen Werke; Gesetzesstrenge.
§ 48. Zu den zwei Stämmen, aus denen die römische Volks-
gemeinde ursprünglich erwachsen war, gesellte sich ein dritter. -Diese