132 Erste Abtheilung. Dritter Abschnitt. Viertes Kapitel.
einen Mörder nach, dem sie ihre Brust mit den Worten darbot:
„Durchstoße rasch die Brust, die ein solches Ungeheuer gesäugt hat!"
So unnatürlich Neros Verbrechen ist, so verdient war für Agrippina
die Nemesis, die sie hierdurch traf; hatte sie doch ihren zweiten Gatten,
den Vorgänger Neros, jenen schwachsinnigen, von frechen Weibern,
wie die ausschweifende, blutige und raubsüchtige Messalina, und
selbstsüchtigen und unwürdigen Freigelassenen gegängelten Claudius,
durch eine bereits zum Tode verurtheilte, aber für den Gebrauch am
Hofe verschonte Giftmischerin aus dem Wege schaffen lassen, um ihrem
Sohne und dadurch sich selbst den Weg zur Herrschaft zu bahnen.
Dem Senate verkündigte ein Schreiben des Nero, daß seine Mutter
sich selbst getödtet, nachdem sie ihm vergebens nach dem Leben ge-
trachtet hätte, und dieser feierte durch Dankgebete in allen Tempeln
die Errettung des Kaisers, der unter dem Jubel der Menge einen
Triumpheinzug in Rom hielt und dort großartige Festspiele ver-
anstaltete. Jetzt gab er sich ganz seinen Liebhabereien hin; er hielt
sich für einen Meister im Wagenrennen und in der Kunst des Ge-
sanges und des Citherspieles und ließ sich anfangs von einem Kreise
Auserwählter bewundern, vor denen er auftrat, und die seinem Bei-
spiele folgen mußten; später, nach Verbannung und Ermordung seiner
edeln Gattin und seiner Vermählung mit der Buhlerin Poppäa,
nachdem auch seine beiden Erzieher allen Einfluß auf sein öffent-
liches Leben verloren hatten, trat Nero mit Männern und Frauen
aus den vornehmsten Ständen öffentlich als Schauspieler und
Wagenlenker auf, wobei alle, wenn sie sich nicht eines Majestäts-
verbrechens schuldig machen wollten, ihm Beifall klatschen mußten,
und das Volk durch die kostspieligsten, zügellosen und unsittlichen
Lustgelage an seine Person gefesselt wurde. Den furchtbaren
Brand, der den größeren Theil Roms in Asche legte und zerstörte,
an dessen furchtbar-prächtigem Flammenmeere der schauspielerische
Tyrann sich geweidet hatte, gab man ihm Schuld, als habe er damit
den Plan durchführen wollen, an Stelle der alten und krummen
Straßen des alten Rom eine schönere Hauptstadt „Neronia" zu
erbauen. Erschreckt durch den Abscheu des Volkes, der ihn als Brand-
stifter traf, beschuldigte er die Christen, die man in Rom als eine
jüdische Seete mit noch verderbterm Aberglauben, als die übrigen
Juden, ansah, des Frevels und ließ eine große Menge derselben
grausam hinrichten: kreuzigen, in Thierfälle nähen und von Hunden
zerfleischen, mit brennbaren Stoffen überstrichen Nachts als Fackeln
in den kaiserlichen Gärten verbrennen. Die unsinnige Verschwendung
Neros, besonders bei Erbauung und Einrichtung seines „goldenen
Hauses", veranlaßte ihn, um Geld zu erhalten, zu einer maßlosen
Plünderung öffentlicher Schätze, ganzer Gemeinden und einzelner
Wohlhabenden; der angesammelte Haß gegen ihn kam in einer
Verschwörung zum Ausbruch, die aber durch viele Todesurtheile