Full text: Das Alterthum (Theil 1)

Bilder aus der Kulturgeschichte der Griechen. 161 
Mutter an sich hatte, wurde verzehrt; als der Scheiterhaufen noch ' 
brannte, senkte sich eine Wolke mit Donner und Blitz herab und 
nahm den von allen sterblichen Stoffen befreiten Göttersohn in 
den Himmel auf, wo er, versöhnt mit Here, sich mit deren Tochter 
Hebe, der Göttin ewiger Jugend, vermählt und als unsterblicher 
Gott den ersehnten Frieden findet. Diese Mythe mit ihrer durch 
und durch moralischen Tendenz ist offenbar keine durch Sage 
und Dichtung mythisch gewordene wirkliche Geschichte, sondern die 
allegorische Einkleidung der Vorstellungen des griechischen Volks 
von der Laufbahn eines Helden, wie ihn sich jene alte heidnische Zeit 
nicht höher und vollkommner denken konnte, eine Dichtung, mit 
welcher sich die geschichtliche Sage von der heraklidischen Abstammung 
der Spartanerkönige verbunden hat. (Meist nach PH. Buttmann.) 
II. Die Mas und die Odyssee. 
1) Die Jlias. 
1. Charakter der Jlias; der Zorn des Achilleus, der Troer Sieg. 
Die Jlias des Homer behandelt nicht den ganzen Krieg von 
Jlion oder Troja, sondern nur eine kurze Episode aus demselben; 
ihr Inhalt umfaßt nur 51 Tage aus dem 10. Jahre der Belage¬ 
rung, den Zorn des von Agamemnon beleidigten Achilleus mit seinen 
verderblichen Folgen bis zum Tode des Heftor. In raschem und 
doch nicht gewaltsamem Wechsel ziehen aufregende Seenen des Kampfes, 
Rathsversammlungen der Edlen, das stürmische Auf- und Nieder- 
wogen der Volksversammlung an dem Gemüthe vorüber; bald treffen 
die Massen der Achäer und Troer, bald einzelne Helden im Zwei- 
kämpfe aufeinander, oder es schwingt sich das Lied empor zu den 
Höhen des Olymp, wo die Götter ihres unsterblichen Lebens sich 
freuen, wenn sie gleich mit all ihren Wünschen und Leidenschaften 
in jene Kämpfe verstrickt sind. — Der König Agamemnon, der ,,Hirt 
der Völker", und der Pelide Achilleus, der erste unter den Helden 
des achäischen Lagers, entzweien sich um eine Kriegsgefangene, welche 
Agamemnon dem Helden widerrechtlich hat nehmen lassen. Achilleus 
betet zu seiner Mutter, der Meergöttin Thetis, daß sie ihm Rache 
schaffe: in den Tiefen der See, in den Grotten der Nereiden hört 
man sein Gebet, und einem Nebel vergleichbar steigt seine Mutter 
aus dem grauen Meere; sie verheißt ihm Gewährung zu erwirken, 
und zürnend zieht er sich in sein Zelt zurück. Sein Wunsch wird 
erhört, Zeus sendet den Troern Sieg. Auf dem so gewonnenen 
Räume, von dem der Held des Gedichts sich eine Weile zurückzieht, 
breitet sich nun die Menge der Abenteuer und Kämpfe aus, das Lied 
vom Zorn des Achilleus wird zur Jlias; achäische Helden und troische 
treten sich nacheinander im Kampfe gegenüber, aber was immer die 
Schurig, Lehrb. der Geschichte. I. U
	        
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