16 Erste Abtheilung. Zweiter Abschnitt.
III. Die Phönizier.
Weltstellung und historische Bedeutung; Schiffahrt, Handel mtfl Kolonien.
§• 16- Die Phönizier sind durch ihre Thätigkeit auf dem
Meere, besonders dem Mittelmeere, erst die Vorläufer, dann die
Nebenbuhler der Griechen gewesen. Ihr Land, eins der kleinsten
der alten Welt, war ein schmaler Küstenstrich, aber reich an Buchten
und Häfen für die Schiffahrt. Unter sich hatten die Phönizier einen
zwar nicht unfruchtbaren, doch beschränkten Boden, vor sich das Meer
mit Inseln und Küsten von lockender Fruchtbarkeit, hinter sich den
an Schiffbauholz reichen Libanon mit seinen Cederwäldern: so wur-
den sie bald die Schiffberühmten. Auf beiden Seiten, nach O.
und W. hatten sie srühcultivirte mächtige Staaten, uns so wurde
ihr Land ein natürlicher _ Stapelplatz für die Euphratländer und
Aegypten. Ihr Küstenstrich bot den Anblick einer ununterbrochenen
Stadt mit hervorragenden Hauptstädten, mächtigen Flotten und be-
lebten Häfen; „er glich, wie die Araber einst, als noch nicht die
Türken ihn verödet, von ihm sagten, einem ewigen Sommer, der sich
zu den Füßen des Libanon lagere, während das Gebirge auf seinem
Scheitel den Winter und auf seinen Schultern den Frühling trage,
in seinen Thälern aber die Schätze des Herbstes berge." Phönizien
wurde durch seine Weltstellung der weltbildende und weltbindende
Handelsmarkt, wo der Bernstein aus Preußen (?), das Zinn der
Kassiteriden, das Silber aus Tartessos, das Gold von Thafos, der
Weihrauch Arabiens, Baumwollenstlckereien und Perlen, Elsenbein,
Ebenholz und Gewürze, Affen und Pfauen aus Ophir, prächtige
Gewänder und Teppiche Babylons, Wein und Getreide aus Aegyp-
ten, Rosinen, Del und Wein aus Palästina und Syrien, Kupfer
und Selaven aus den Kaukasusländern — sich begegneten. Dazu kam
ihr eigener Kunstfleiß, der sie auf wichtige Erfindungen leitete,
so daß namentlich die Produkte der sidonischen Webereien, die lyri¬
schen Purpurfärbereien und die Erzeugnisse der Glashütten von Sidon
und Sarepta im ganzen Alterthume allgemein gesucht waren.
Sie fuhren nicht nur auf dem Mittelmeere durch die Säulen des
Herkules in den Ocean, selbst nach Madeira und den canarischen Inseln,
sondern beschifften auch den arabischen und persischen Meerbusen, um-
segelten auf Betrieb eines ägyptischen Königs innerhalb dreier Jahre
ganz Afrika, holten Goldstaub aus Guinea und dehnten ihre See¬
fahrten in O. bis zur Küste Malabar (Ophir) aus. Auf diese
Weise kamen die phönizischen Handelsstädte zu so großem Reichthume,
daß Jesaias mit Recht fagen konnte: „Ihre Kaufleute sind Fürsten
und ihre Krämer die vornehmsten im Lande." Kein anderes Volk
der alten Welt hat so viel Colonien gegründet, wie die Phönizier,
die meisten des Handels wegen, andere, um unruhige Volksmassen,
deren Anhäufung in den Hauptstädten Gefahr drohte, in fremden