Rückblick auf das Altertum. I. Deutsche Stammesgeschichte. 9
Trinkgefäßen faßte, Halsketten und Armringe, zuweilen mit sinnigen
Arabesken und Schlangenwerk, fertigte und goldene Schaustücke nach
römischen Mustern schlug. Auch die Flüsse wußte man zu befahren, und
die Anwohner der Küste steuerten mit sicherem Kiele schon früh in das
offene Meer. Jagd, Viehzucht und Ackerbau gaben die Hauptnahrungs¬
mittel: frisches Wildbret, Brot, Milch, Butter und Käse; Pastinak,
Spargel und Rettig; dazu wurden die Trinkhörner gefüllt mit berauschen¬
dem Getränk, mit Bier, aus Gerste und Weizen, mit Met, aus Honig
und Wasser gebraut.
Doch war auch das Leben der alten Deutschen nicht ohne tieferen
Gehalt. Kriegerische Spiele, Schwerttänze zu Ehren der Götter,
erfreuten die Jugend, körperliches Geschick gab Ehre und Auszeichnung.
In der Schlacht sangen sie von den Thaten der Vorfahren, diesen zur
Ehre, sich zur Ermunterung; das war ihnen Pflicht und Freude zugleich.
Bei den Gelagen kreiste der Bragabecher, da erschallte Gesang, und die
Sänger, im Norden Skalden genannt, priesen in Liedern die alten
Helden; denn das Heldentum der Tapferkeit galt als das höchste,
und in Liedern pflanzte sich das Gedächtnis der Vergangenheit fort. —
Die Eigenschaften des allwaltenden einigen göttlichen Wesens verwandelten
sich im Heidentnme in eben so viel göttliche Persönlichkeiten, und dadurch
wurde allmählich fast jede Spur der ursprünglichen Gotteinheit verwischt;
weniger bei den Deutschen, denn ihr Wuotau hat noch etwas von dem
alten geistigen Gotte. Eine heilige Scheu vor dem erhabensten aller
Wesen und vor seinem Namen war ihnen eigen; doch ist auch ihnen die
Gottheit in der Zeit entstanden und nur von zeitlicher Dauer, und des
ewigen Lebens Quell springt nicht ihr. Wie bei den meisten alten Völkern
erscheint auch bei den Deutschen in Wuotan, Donar und Fro eine
Götterdreiheit, und diese zerspaltet sich in die Zwö!szahl, wenigstens in
der Götterlehre der nordischen Germanen, in der Edda, welche aus zwei
Sammlungen uralter Volkslieder und Sagen besteht. Diese kennt 12 Ascit
und 12 Asinnen; sie sind riesenhaft und schön, reiten und fahren schnell,
sind in allen Künsten Erzieher des Menschengeschlechts, weilen zu dem
Zwecke oft unter den Menschen, zuweilen in unscheinbarer Gestalt, um zu
prüfen und geheime Frevelthat zu strafen, und sind auch unsichtbar nahe;
ihre Menschwerdung ist immer nur kurz. (2. Abt. I.)
Gaugemeinde, Hundertschaft und Markgenossenschaft; Volksgericht.
§ 6. Es wctreu stürmische Zeiten und tiefgehende Umwälzungen,
durch welche sich allmählich ein großer staatlicher Verband entwickelte, der
die Deutschen zusammen- und abschloß. Ursprünglich fand nur eine lose
staatliche Verbindung unter den Stammgenossen statt; es war die Gau-
gemeinde. Alleiniger Zweck derselben war Schutz und Trutz gegen
äußere Feinde, oft andere Stämme desselben Volkes, und Friede im
Innern. Unmittelbaren Anteil an den Rechten und Pflichten der Ge-
meinschaft hatten nur die Voll-Freien, das sind die Grundbesitzer, die
Erstgebornen, auf welche nach altdeutschem Erbrechte der Hof überging.