Full text: Das Mittelalter (Teil 2)

Rückblick auf das Altertum. L Deutsche Stammesgeschichte. 11 
nossen entschieden werden könne; nur der Unfreie wurde durch Freie 
gerichtet. 
Die Markgenossen, das sind die Bewohner emer Dorfschaft oder 
mehrerer einander nahe liegender Einzelhöfe, die zusammen ihr Gemeinde- 
laud oder Almend — Wald, Wiese, Weide und Moor — hatten, be- 
schäftigten sich in ihren Versammlungen in ähnlicher Weise mit den 
untergeordneten Angelegenheiten ihres engern Lebenskreises. 
Familien- und Hausrecht; Unfreie und Nichtvollfreie. 
§ 7. Eine Familie, Sippe, in welcher die Blutsverwandten 
eng mit einander verbunden waren, vertrat ihre Glieder durch die 
stimmberechtigten Hofherrn in der Gemeinde: die Familiengenossen, 
welche im Frieden nachbarlich bei einander wohnten, standen auch im 
Kriege treulich zusammen im Heere und in der Schlachtordnung. Doch 
ging die selbständige Stellung der Sippe im Gemeindeverbande 
noch weiter: sie konnte den Richterspruch der Gemeinde und das Wergeld 
verschmähen, zur Selbsthilfe greifen und Blutrache an dem Frevler 
üben, der einen der Ihrigen erschlagen. Oft genug trieb diese Rache zu 
neuen Freveln, und in endloser Fehde führte ein Geschlecht gegen das 
andere die Waffen bis zu gänzlicher Vernichtung. In seinem Hause und 
auf seinem Hofe herrschte der freie Grundbesitzer als ein völlig un¬ 
beschränkter König im kleinen über Weib, Kind, Geschwister und 
Gesinde; alle Glieder des Hauses standen unter seiner munt, Vormund¬ 
schaft. Es gab hier keinen Willen, als den seinen; kein Gesetz, nur der 
Glaube und die gute Sitte setzten ihm Schranken. Die Ehe, nach der 
Bedeutung des Wortes eine unauflösliche, ewige Verbindung, wurde auf 
der geweihten Malstatt geschlossen, und es ging dadurch die Frau aus 
der Schutzgewalt ihres väterlichen Hauses in die ihres Gemahls über. 
Dieser bot hierbei dem Weibe Stiere, ein gezäumtes Pferd, Schild und 
Speer zum Geschenke, wie sie gleichfalls dem Manne Waffen und Ge- 
schenke darbrachte. Diese Gaben galten für Heiligtümer, und heilig wie 
sie war die Ehe selbst und geheiligt durch sie das ganze Haus. Das 
Weib teilte fortan alles mit dem Manne, auch Kriegsruhm und Ehre, 
und die Treue desselben überdauerte den Tod des Mannes, der wiederum 
zeitlebens die eheliche Treue hielt. Da der Deutsche im Weibe etwas 
Göttliches und Prophetisches ehrte, so leuchtete ihm im Frauenworte eine 
Ahnung der Zukunft auf, und nichts achtete er höher als Frauenlob, 
und Zuruf aus Frauenmund war ihm der heißeste Sporn in der Schlacht. 
Was Wunder daher, daß die Frau im Hause mitherrschte, wiewohl sie 
durch die Arbeit diente, die der deutsche Mann für sich als entehrend 
ansah. Ein enges geweihtes Band umschlang nicht minder Eltern und 
Kinder; des Vaters Gebot und der Mutter Bitte war den Kindern heiliges 
Gesetz. Je mehr Kinder, desto größer der Segen des Hauses, desto 
freudenreicher die späteren Jahre der Eltern. Einfach und wenig bekleidet 
wuchsen die Kinder heran, ohne große Sorge selbst für Reinlichkeit lebte
	        
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