Rückblick auf das Altertum. I. Deutsche Stammesgeschichte. 19
deutschen Söldnern, sondern von ganzen Stämmen unternahm der tapfere
Stiefsohn des Augustus, Drusus, vier Züge ins innere Deutschland, 12—9
um zur Sicherung der abendländischen Provinzen des römischen Reichs"' ^r'
das eigentliche Germanien bis zur Elbe in ein römisches Vorland zu
verwandeln. Auf seinem zweiten Zuge gelangte er bis zur Weser, entkam
aber aus dem Rückzüge in enger Waldschlucht mit Mühe den vereinten
Angriffen von sechs verbundenen deutschen Stämmen, doch gründete er als
ersten festen Punkt der Römer in Großgermanien die Burg Aliso nicht
weit vom Einflüsse der Alme in die Lippe. Gestützt auf die römischen
Rheinkastelle, drang er von Mainz (Moguntiacum) aus zuletzt bis zur
Elbe vor: unter blutigen Kämpfen durchschritten die Legionen das Land
der Chatten, bahnten sich über die Weser und den hercynischen Wald
einen Weg durch das Gebiet der suevischen Hermunduren und durchzogen
die Gaue der Cherusker an den südlichen und östlichen Gehängen des
Harzgebirges. An den Usern der Elbe (wohl unweit Magdeburgs),
dem Gebiete der mächtigen Kriegsgenossenschaft der fuevifcheu Semnomen
und Langobarden gegenüber, pflanzte Drusus seine Siegeszeichen auf.
Da soll ihm vom jenseitigen Ufer derselben ein riesenhaftes Weib, eine
weissagende Frau, drohend zugerufen haben: Verwegener, unersättlicher
Drusus, wohin treibt dich deine Begierde, alle unsere Länder zu sehen?
Fliehe, denn das Ende deiner Tage ist näher, als du wähnst! — und
auf dem Rückzüge brachte ihm ein Sturz vom Pferde den Tod. Sein
Nachfolger Tiberius vollendet durch Klugheit und Arglist die Eroberung
Nordwestdeutschlands und richtet zwischen Rhein und Weser eine
römische Statthalterschaft ein. Hier thaten sich römische Märkte auf
und gewöhnten die Deutschen an römische Bedürfnisse. Tiberius gewann
durch Ehrenzeichen und die Lockungen römischer Macht und Üppigkeit die
kriegslustige Jugend der edlen deutschen Geschlechter, um sie der rauhen
Einfalt des deutschen Lebens zu entfremden und in ihnen Bürgen für
die Treue ihrer Stammesgenossen zu gewinnen. Er benutzte die uralten
Zwistigkeiten der deutschen Stämme unter einander, schuf künstlich neue
Streitpunkte und entzündete dadurch blutige Kriege, um sie durch römische
Vernnttelung zu schlichten. In aller Stille erhoben sich an allen das
Land und seine Wasserverbindungen beherrschenden Stellen römische
Zwingburgen, es entstanden Straßen und Kanäle durch bisher unweg¬
same Gegenden, und so wurde der zugänglichste Teil des Flachlandes
zwischen Niederrhein und Weser für eine vollständige Einverleibung in den
römischen Reichsverband bestens vorbereitet. Sein Nachfolger Quincti-
^er ÖOr^er reiche Syrien als Staathalter arm betreten
und das arme Land reich verlassen hatte, behandelte die Deutschen
bereits als Unterjochte. Mit wachsendem Jngrimme sahen diese, wie
sie nach fremden Gesetzen, in fremder Sprache von fremden Richtern ae-
richtet, vom Liktor mit Ruten gezüchtigt und mit dem Beile bestraft
S 5 ^er^ Ut^er Sinn empörte sich gegen die Künste römischer
Advokaten, die Recht m Unrecht zu verkehren schienen, und römische Er-
pressnngsknnste reizten das eine Zeit lang geduldige Volk. Armin, ein