Full text: Das Mittelalter (Teil 2)

II. Geschichte des Frankenreiches. Zweites Kapitel. 69 
Gegensatzes sich erst in den getrennten Reichen entwickelte und im Osten 
bei den Deutschen das altgermanische Stammesbewußtsein überwog; nur 
in dem Grenzlande Lothringen mischten sich romanische und deutsche 
Elemente. Der Teilungsvertrag zu Verdun führte nach dem Abgange des 
direkten deutsch-karolingischen Mannesstammes zur völligen Aussonderung 
des ostfränkischen Reiches, zum Beginne der deutschen Nation und des 
deutschen Reiches. In diesem erhielt sich deutsches Wesen und deutsche 
Sprache (§ 4) rein, während in Frankreich sich immer mehr der roma- 
ntsche Charakter ausbildete und aus der Vermischung des keltischen, 
römischen und deutschen Elements das Französische als eine roma- 
nische Sprache entstand. 
Kaiser Lothar, wie verfolgt von dem Schatten des Vaters, den er 
am härtesten bedrängt hatte, teilte sein Reich unter seine drei Söhne 
und zog sich in das Kloster Prüm zurück. Ludwig II., dem Italien 
und die Kaiserwürde zufielen, starb bald ohne Erben, schon vorher sein 
Bruder Lothar II., mit dem er sich in den Anteil des dritten noch 
früher kinderlos verstorbenen Bruders geteilt hatte. Lothars H. Land, 
das eigentliche Lotharingien, nördlich von Basel bis zur Nordsee auf 
der Westseite des Rheins, teilten die Oheime Karl der Kahle und Ludwig 
der Deutsche im Vertrage zu Mersen, so daß zum ostfränkischen 870. 
Reiche der größte Teil von Friesland, die jetzige Rheinprovinz, das 
Elsaß, nämlich die Gebiete von Utrecht, Aachen, Köln. Trier, Straßburg, 
Basel, später noch Metz und der Moselgau kamen, während die westlichen 
romanischen Gebiete von Lyon, Besanyon, Menne, Toul, Verdun, 
Cambray, Tongern und ein Teil von Friesland an das westfränkische 
Reich fielen. Nach dem Tode Ludwigs des Deutschen wollte Karl der 
Kahle, der sich nach Ludwigs II. Tode vom Papste zum Kaiser hatte 
krönen lassen, sich des ganzen linken Rheinufers bemächtigen, wurde aber 
von Ludwig dem Jüngeren entschieden in die Flucht geschlagen. Da 
dieser, sowie der andere Bruder, früh starb, gewann der dritte, der jüngste 
der drei Söhne Ludwigs des Deutschen, Karl der Dicke, das ganze 
ostfräitftfche Reich;,, er wurde auch König im Westfrankenreiche, da ihn 
me Großen mit Ubergehung des unmündigen Karls des Einfältigen 
des letzten der Enkel Karls des Kahlen, zum König wählten, um durch 
ihn Schutz gegen die furchtbaren Angriffe der Normannen zu gewinnen- 
er erhielt auch die Kaiserkrone und Italien und vereinigte somit noch 
einmal das Reich Karls d. Gr. mit Ausnahme von Hoch- und 
Nieder-Burgund. wo die Großen besondere Könige erwählten. Aber der 
Geist Karls des Großen ruhte nicht aus Karl dem Dicken; schon in 
femen jüngeren Jahren von Krämpfen und Geistesverwirrung heimgesucht 
f°. m,"" c60n eincm bös-n Geiste besessen glaubte und von 
Bischosen durch Gebet und Beschwörung heilen lassen wollte, zerrütteten 
spater unerträgliche Kopsschmerzen feinen Verstand völlig und machten 
ihn m entscheidenden Momenten ganz unfähig. 
Norddeutschland und Frankreich waren in diesen Zeiten der letzten 
Karolinger den fürchterlichen Angriffen der Normänner ausgesetzt,
	        
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