Full text: Das Mittelalter (Teil 2)

70 Erste Abteilung. Zweiter Abschnitt. Geschichte des Mittelalters. 
und bei der Schwäche der karolingischen Könige, der Uneinigkeit derselben 
unter sich, der inneren Auflösung der Monarchie Karls d. Gr. durch 
eine trotzige, ungehorsame Aristokratie, der Wehrlosigkeit eines großen 
Teiles der Bevölkerung, welche durch die Anmaßung und die Bedrängung 
der Großen in Hörigkeit und Leibeigenschaft hinabgedrückt wurde, war 
namentlich das flache Land der Plünderung der Normänner preisgegeben. 
Der Trotz und die Ansprüche der mächtigen Vasallen, die Karl 
mit starker Hand niedergehalten hatte, fanden unter den Kämpfen 
seiner Nachkommen Nahrung und Begünstigung, indem die Krieg- 
führenden durch Zugeständnisse und Gewährungen sich den Beistand der 
Großen des Reiches zu erkaufen suchten. Diese eigneten sich schon seit 
Ludwig dem Frommen einen großen Teil der königlichen Güter teils 
als Lehen, teils als Alodien durch Betrug oder Gewalt zu, erzwangen 
das Recht, sich dem Könige vereinigt mit gewaffneter Hand zu wider- 
setzen, wenn sie sich verletzt glaubten und ihre Ermahnung und Warnung 
vom Herrscher nicht beachtet wurde, machten die Erblichkeit ihrer Lehen 
zur Sitte, weil den Königen die Macht fehlte, dem Sohne zu verweigern, 
was dem Vater verliehen gewesen, und beraubten und mißhandelten von 
ihren zahlreichen Burgen und Schlössern aus die Umwohner. Sie 
erlangten in zäher Festhaltung an altgermanischer Anschauung die An¬ 
erkennung ihres Wahlrechts bei Erledigung des Thrones gegenüber 
dem von den Karolingern begründeten und festgehaltenen Erbrecht ihrer 
Familie. 
Die Normäuuer, ihre Raubzüge und Staatengriindungen. Karls des Dicken Absetzung. 
§ 34. In Skandinavien saßen die Nordmänner oder Normannen, 
unbändige germanische Kriegerscharen, unter vielen kleinen Königen 
von geringer Herrschermacht, denn die freien Grundherren, Odals- 
männer, aus denen die Gemeinden oder Fylken bestanden, lebten in 
stolzer Unabhängigkeit selbst kleinen Königen gleich und ließen es zu 
einer straffen, gemeinsamen Herrschaft nicht kommen. Ihre nordische 
Heimat mit den Schneegebirgen, düsteren Wäldern, ausgebreiteten Sümpfen 
und armseligen Steppen hinderten den gegenseitigen Verkehr im Innern 
der Länder und beschränkten den Ackerbau auf das notdürftigste. Da- 
gegen luden die vielen Buchten und Inseln der Nordmeere, die ihre 
Küsten bespülten, zum Leben auf dem Meere ein, und es waren kühne, 
verwegene Seefahrer, diese Nordlandsrecken unter ihren Seekönigen, 
deren einer zuweilen nur ein Schiff mit beutelustiger und kampfbegieriger 
Mannschaft sein Reich nennen konnte. Dafür gehörte ihm die Welt, 
wohin er im Verein mit anderen Seekönigen seines Volkes kam. Ab- 
gehärtet durch das rauhe Klima ihrer Heimat, begeistert bis zur Berserker- 
Wut durch ihre Skalden, die nur von Götterkämpfen und blutigen 
Heldenthaten der Vorfahren sangen, wurden sie wahrhafte Schrecken¬ 
bringer für die zerfallenden Staaten des Abendlandes. Wie 
der Hunne, der Sohn der Steppe, in duukelm struppigem Haar und 
unheimlich blitzenden Augen mit seinem kleinen zottigen Steppenrosse
	        
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