146 1. Periode: Zeitalter der Reformation.
das dornengekrönte Haupt, auch das Leben der Maria, in dem der stille
Friede des deutschen Hauses waltet. Techniker ersten Ranges war
Dürer im Kupferstich; es sei hier nur erinnert an die Melancholie,
in der das Wesen des unbefriedigten Forschergeistes allegorisch dar-
gestellt ist, besonders aber an Ritter, Tod und Teufel, wo der söge-
nannte Reformationsritter in der Waldesschlucht unerschüttert zwischen
den unholden Spukgestalten des Todes und des Teufels hindurch reitet
und, auf Gott und Ewigkeit gestellt, der festen Geistes- und Willenskraft
vertrauend, seinen Weg verfolgt. Dürer war der Erste in Deutschland,
der als Schriftsteller, wie Leonarda da Vinci in Italien, die Regeln
der Perspective und der Proportionen des menschlichen Kör-
pers lehrte; maßgebend war seine Theorie der Festungsbaukunst. Sein
Einfluß erstreckte sich auf zahlreiche Genossen; Lukas Cr an ach, der
Hofmaler Friedrichs des Weisen und seiner Nachfolger, Luthers Freund,
der freiwillige Begleiter Johann Friedrichs in die Gefangenschaft, trug
die süddeutsche Kunst nach dem Norden. Aus seiner fleißigen Werkstatt
gingen neben vielen andern Bildern die Bildnisse der Wittenberg er
Reformatoren in die Lande hinaus. Seine anmutigen Ma-
donnen haben ganz das sinnige, freundliche Wesen deutscher Haus-
frauen; er stellt sich auf seinem Altarbilde in der Stadtkirche zu Weimar
mit Luther unter das Kreuz Christi; mit schalkhafter deutscher Ge-
mütlichkeit läßt er in seinem Jungbrunnen die alten Weiber auf
der einen Seite verrunzelt hineinsteigen, auf der andern frisch und
blühend herauskommen.
Die Zeitrichtung, welche im 17. und 18. Jahrhundert Architektur
und Skulptur auf Abwege führt, giebt der Malerei einen eigentüm-
lichen Aufschwung, dessen Grundzug namentlich in der protestantischen
Richtung der Naturalismus des wirklichen Lebens ist; neben
der Historienmalerei treten das Genre, die Landschaft, das Tierstück
und das Stillleben auf. Spanien, das Land der Inquisition und
der Leidenschaft, erlebt die Blüte seiner Malerei in der Verklärung
ekstatischer Frömmigkeit, wie sie Murillo in seinen Madonnen voll
schwärmerischer Entzückung zeigt, während er zugleich das niedere Leben,
z. B. spanische Betteljungen, treu darstellt. Am vielseitigsten erblüht
die Malerei in den Niederlanden, die Brabanter Schule her-
vorragend in der mächtigen Künstlernatur des Peter Paul Rubens
(§ 63, t 1640); neben figurenreichen kirchlichen und mythologischen
Bildern schafft sein fruchtbarer universeller Geist treffliche Landschaften,
kühne Tierstücke, frische Genrebilder des Volkslebens, lebensvolle Porträts;
sein berühmtester Schüler ist Anton van Dyck. Im protestantischen
Holland giebt sich die Malerei besonders der frischen unbefangenen Dar-
stellung des Lebens hin; ihr Hauptmeister ist Rembrandt (f 1669)
mit seiner wunderbaren Ausbildung des Helldunkels. Im Verlauf des
18. Jahrhunderts gerät auch die Kunst der Malerei durch ein falsches
theatralisches Pathos der Franzosen in Verfall; doch sind
Landschaften, Tierstücke, Blumen und Stillleben durch tüchtige Meister