278 2. Periode: Zeitalter der absoluten Monarchie.
frommen Gellert Herzensrat und Erbauung suchen; der Dichter des
Frühlings, Ewald Kleist, der preußische Werbeoffizier, der sich in Zürich
von den Strapazen der Menschenjagd im Kreise Klopstockscher Schön-
geister erholte und dann bei Kunersdorf den Soldatentod fand, er-
scheint uns heute bedeutender als mancher begabte Poet, weil er den
Heldensinn und die Dichtersehnsucht dieser reichen Zeit in sich vereinigte.
Im Ganzen bleibt doch sicher, daß das alte Preußen ebenso unästhetisch
war, wie die deutsche Literatur unpolitisch." «Treitschke.)
Winkelmanns Ideen bahnten zwar die Beseitigung des „Zopfstils"
in den bildenden Künsten an, aber die deutschen Bildhauer und
Maler leisteten allermeist nur in der Nachahmung der besten französischen,
italienischen und niederländischen Meister Anerkennenswertes. Dagegen
feierte die deutsche Musik in diesem Jahrhundert die stolzesten
Triumphe. Christoph Gluck (f 1787) setzte an Stelle des Ohren-
kitzels der bisher herrschenden italienischen Opermusik den naturwahren
Ausdruck tiefinnerlicher Empfindung. Die Tonschöpfungen Joseph
Hahdns (geb. 1731) und Wolfgang Amadäus Mozarts
(t 1791), jene voll lebensfroher Heiterkeit, diese tiefer und voll un-
erfchöpflicher Mannigfaltigkeit, siud Muster auf dem Gebiete der Melodie
und der vollendeten musikalischen Schönheit. Durch die zahlreichen
Aufführungen der großen Meisterwerke dieser Meister, zu denen bald in
Ludwig Beethoven ein noch gewaltigerer Genius kam, und durch
die Einführung der Musik in Familie und Freundeskreis wurde die
Musik mehr und mehr ein bedeutungsvolles Kulturelement in der
Bildung der deutschen Nation. Einen ähnlichen Aufschwung nahm
durch den Einfluß der großen Dichter die Schauspielkunst in
Hamburg und Mannheim, besonders aber an den Hofbühnen zu Weimar
und Wien, zuletzt auch in Berlin, und berühmte Schauspieler
wie Jffland, Eckhof, Schröder u. a. traten hochgefeiert aus der Elendig-
feit verachteter wandernder Schauspieltruppen hervor.
Humanität und Toleranz, ihr Einfluß in Kirche und Schule.
§ 109. Die Freidenker (§ 107), die Apostel des Zeitalters der
Aufklärung, setzten der geschichtlichen Religion des Christentums eine
„natürliche, vernünftige Religion," eine sogenannte „Religion des
gesunden Menschenverstandes" gegenüber. Sie hielten in
ihrem „ Naturalismus und Deismus" meist den allgemeinen Glauben
an eine sittliche Weltordnung, an einen Gott, der die Welt nach un-
abänderlichen Naturgesetzen regiert, und den Glauben an eine Unsterb-
lichkeit der Seele fest, doch widerfuhr auch dieser Glaubensgrundlage
schon eine weitere Zersetzung. Hatte im Reformationszeitalter das Leben
ein vorherrschend kirchliches Gepräge gehabt, hatte der einseitige Pietis-
mus (§ 105) zu einer krankhaften Abkehr von der Welt geführt, so
wurde jetzt das Recht des Natürlichen und allgemein Menschlichen
stark hervorgehoben. Auf der Grundlage des Rousseauschen Natur-
evangeliums (§ 107) von der natürlichen Güte und Vernünstigkeit der